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0334 - Der Hexenspiegel

0334 - Der Hexenspiegel

Titel: 0334 - Der Hexenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Überraschung. Sie haben sich doch wohl nicht etwa in der Zimmertür geirrt, Gnädigste?«
    Er starrte die Nackte an. Tausend Gedanken kreisten in seinem Kopf.
    Ein Hotelgast, der aus dem Etagenbad kam und sich in der Tür irrte?
    Aber… das war kompletter Unsinn. Er konnte sich keine Frau vorstellen, die in einem Hotel nackt über die Flure lief, auch wenn es drei Uhr nachts war. Außerdem hatte er seine Zimmertür von innen abgeschlossen gehabt, und der Schlüssel war bewegt worden.
    Saranow glitt vom Bett. Er spürte die Aura des Unheimlichen, die sich ihm näherte. Die junge Frau mit dem langen, braunen Haar näherte sich ihm lautlos.
    Saranow keuchte. Die Gestalt, der Körper faszinierte ihn. Aber er spürte die Gefahr. Was sich ihm da näherte, war Verführung und Tod.
    »Apage, Satanas!« stieß er hervor und rasselte lateinische Bannformeln herunter. Aber die Frau näherte sich ihm weiter. Er wich zurück, bis er an den Stuhl stieß. Die Frau folgte ihm.
    Er sah, wie sich ihre Brüste leicht hoben und senkten, aber er hörte sie nicht atmen. Er sah ihre Augen… und begriff.
    Das waren die Augen aus dem Spiegel. Die Augen, die nicht nur er anstelle der eigenen gesehen hatte, als er den Spiegel betrachtete. Die unheimliche Macht hatte es also geschafft, die Bannsiegel zu durchbrechen und manifestierte sich!
    Er ging immer noch davon aus, den Bannspruch beendet zu haben. Er hatte selbst nicht gemerkt, daß er in der Aufregung, der Hektik vergessen hatte, das letzte Wort zu vollenden. So gesehen hatte der Mord an Abramov doch seinen Zweck erreicht. Andernfalls wäre es der Gestalt weitaus schwerer gefallen, aktiv zu werden.
    Der böse Geist aus dem Spiegel in Gestalt einer verführerischen jungen Frau… Boris Saranow keuchte. Er mußte sich erst mit dem Gedanken vertraut machen, daß sein Todfeind vor ihm stand, daß diese junge Frau nicht das war, wonach sie aussah.
    Saranow warf sich vorwärts, versuchte nach der Frau zu greifen.
    Aber er griff durch sie hindurch.
    Er spürte zwar Widerstand, aber der war nicht sonderlich groß, Saranow stürzte, vom eigenen Schwung mitgerissen, durch den Körper hindurch. Er stöhnte auf. Ein wahnsinnigmachendes Kribbeln lief über seine Haut. Er raffte sich wieder auf. Die Frau sah gefühllos auf ihn herab.
    Jetzt, als er sich erhob, verzog sie das Gesicht zu einem spöttischen Lächeln.
    »Wer bist du?« stieß Saranow hervor. »Warum hast du Abramov ermordet?«
    Die Frau schwieg.
    Sie packte urplötzlich zu. Saranow hatte ihren Körper nicht berühren können, aber ihre Hände schafften es, ihn zu packen. Der schwere Mann fühlte sich von einer unwiderstehlichen Kraft emporgerissen und herumgeschleudert.
    Er flog durch die Luft, durchbrach das geschlossene Fenster und die geschlossene leichte Holzjalousie dahinter und stürzte durch die kalte Nachtluft…
    Die Frau aber lächelte und verließ das Zimmer, um sich dem nächsten zuzuwenden. Dort schlief Natascha Solenkowa, das Medium.
    Natascha würde vielleicht schwerer zu besiegen sein.
    ***
    Natascha schreckte aus ihrem leichten, unruhigen Schlaf auf, als sie das Geräusch hörte, mit dem der innen steckende Schlüssel in der Tür herumgedreht wurde.
    Sie knipste das Licht an und reagierte damit genauso wie Minuten zuvor Boris Saranow. Die nackte junge Frau mit dem braunen Haar trat ein und schloß die Tür hinter sich.
    Nataschas Augen wurden groß. Sie spürte den Tod. Aber sie spürte noch mehr.
    »Du bist nicht du«, flüsterte sie. »Du bist nur ein Abbild, nicht Körper und nicht Geist. Warum hast du dich in dieser Form geschaffen?«
    Die Fremde verharrte.
    »Kannst du vielleicht nur in dieser Form erscheinen, weil du tot bist?« fragte Natascha weiter. »Du hast deinen wirklichen Körper nicht mehr, nicht wahr? Du existierst in dem Spiegel. Ich glaube fast, ich kann dich verstehen. Vielleicht wäre ich auch so wie du, wenn ich lange Zeit in einen toten Gegenstand gebannt wäre. Wie viele Jahre sind es? Hundert? Zweihundert?«
    »Du weißt viel…«, kam es leise zurück. »Sehr viel. Aber nicht genug. Laß dich ansehen, wie du wirklich bist.«
    Natascha keuchte auf, als unsichtbare Hände sie berührten, förmlich in sie hineingriffen und sie abtasteten bis auf den Grund ihrer Seele. Sie versuchte sich dagegen zu sperren, aber es gab nur eine Möglichkeit, dies zu tun.
    Zu sterben.
    Denn sie besaß keine Abwehrkräfte gegen die Seele der Hexe.
    Natascha warf sich auf dem Bett hin und her. Sie wand sich im Griff

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