0334 - Der Hexenspiegel
der Bösen.
»Du bist stark, und du hast eine Aura, die mir verwandt ist«, flüsterte die Fremde. »Ich kann deinen Körper gebrauchen. Komm… komm mit mir… zum Spiegel… dort kann der Tausch geschehen…«
Sie griff nach Nataschas Arm, zog das Medium hoch. Saranows Assistentin wehrte sich, schlug nach der Nackten, aber ihre Schläge gingen wirkungslos durch sie hindurch.
Die Unheimliche zerrte Natascha mit sich zur Tür.
Das Medium begriff, daß es keine Chance mehr gab. Sie wollte schreien, aber etwas blockierte ihre Stimme. Sie wollte sich gegen den Druck, das Ziehen, die Kraft der anderen stemmen, aber es ging nicht. Ihre Muskeln erlahmten. Die Hexe begann den Willen Natascha Solenkowas auszuschalten und sie zu steuern.
Sie will meinen Körper, dachte Natascha verzweifelt. Und sie will meine Seele in den Spiegel hexen…
Niemals…
Die Tür öffnete sich. Die unheimliche Hexe zerrte Natascha nach draußen.
Natascha sah keinen Ausweg mehr. Sie hatte keine Hilfe mehr zu erwarten.
Aber sie wollte dennoch über diese unheimliche Hexe triumphieren.
Und so starb sie einfach.
***
Der Schock durchraste den Scheinkörper und ließ ihn erstarren. Die Hexenseele der Nadija Perkowa war wie gelähmt. Fast hätte sie gellend geschrien.
Ein heftiger Schlag durchraste sie. Seelische Energien des Mediums-, die frei wurden, die nach Nadija Perkowa griffen und sie in die Knie zwangen. Sie taumelte, ließ den erschlaffenden Körper einfach fallen und schwankte über den Korridor.
Der Scheinkörper stöhnte, wurde teilweise durchsichtig. Der magischseelische Schlag war stark gewesen.
Nadija schlüpfte in das leerstehende Doppelzimmer, in dem es nur noch den Spiegel gab. Sie taumelte auf den Spiegel zu. Wie ein Schatten glitt der nackte Frauenkörper in die Glasfläche und verschmolz mit ihr, verschwand einfach. Der Spiegel zitterte leicht.
Die Seele der Hexe war in Aufruhr.
Niemals hatte sie angenommen, daß das Medium ausgerechnet diesen Weg beschreiten würde. Nadija hatte Natascha Solenkowa vollkommen falsch eingeschätzt. Das Medium hatte nicht mit der Macht des Geistes gekämpft. Natascha war nicht für den Kampf geschult gewesen. Ihr verzweifelter Geist hatte den einzigen anderenWeg beschritten und im Tode über die Hexe triumphiert, die sich schon im Besitz dieses Körpers gesehen hatte.
Natascha hatte ihn ihr wieder genommen.
Nur im direkten Einflußbereich des Spiegels hätte der Seelentausch vorgenommen werden können, nicht außerhalb des »Sichtbereiches« der matten Glasfläche. Aber dazu war es nicht mehr gekommen. Natascha hatte ihren Körper mit in den Tod genommen. Jetzt, da er leer war und noch dazu der Körper einer Selbstmörderin, konnte Nadija nichts mehr damit anfangen.
Ansonsten wäre es ihr ja schon immer leichtgefallen. Sie hätte nur unter den Toten auszuwählen brauchen…
Aber nur der Körper eines lebenden Menschen war ihr von Nutzen.
Und durch den Schock war sie schwer angeschlagen. Sie zog sich in den Spiegel zurück und löste den Scheinkörper auf. Sie mußte sich erholen.
So entging zumindest Igor Semjonow einem Mordanschlag…
***
Zur gleichen Zeit schreckte in England Nicole Duval aus dem Schlaf hoch. Neben ihr war Zamorra sofort hellwach. Seine Hand fand den Lichtschalter.
»Was ist los, Nici?« fragte er besorgt.
Nicole starrte mit geöffneten Augen zur Zimmerdecke hoch.
»Ich habe geträumt«, sagte sie leise und unbetont. »Ich habe geträumt, daß jemand unmittelbar neben mir gestorben sei. Es hat mir einen Schock versetzt.«
Sie rollte sich auf die Seite und sah Zamorra an.
»Du mußt mich festhalten, Chérie«, flüsterte sie. »Ganz fest. Sonst falle ich ins Nichts.«
Und sie schmiegte sich so eng an ihn, als wolle sie mit ihm verschmelzen.
Zamorra streichelte sie sanft, und langsam ließ ihr kaltes Zittern nach. Sie wurde ruhiger.
Draußen schlief die Stadt.
***
Boris Saranow fiel nicht tief. Instinktiv drehte er sich wie eine Katze, während er die Fensterscheibe und die Jalousie durchbrach und Schnittund Schürfwunden davontrug. Er glaubte ins Bodenlose zu fallen, streckte die Arme vor – und prallte auf.
Es stauchte ihn gehörig durch. Er glaubte, sich Handgelenke und Knie zu zerschlagen und die Schultergelenke auszurenken, ließ sich seitwärts wegknicken und kam über die Seite auf den Rücken zu liegen. Er starrte zu dem matt erleuchteten ausgezackten Loch hinauf, durch das er geschleudert worden war.
Dort oben regte sich nichts
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