0335 - Zentaurenfluch
Drachenechsenblut.«
»Vielleicht wirst du es bald trinken, vielleicht auch nicht«, sagte der Schamane gleichgültig.
Ein wenig wunderte Monica sich, daß die Anführerin Gaa schwieg. Lagen die Machtverhältnisse etwa komplizierter, als Monica glaubte, oder gab es einen anderen Grund dafür? Die Grauweißhaarige betrachtete Monica nur, ohne sich in die Unterhaltung zu mischen.
»Was ist das für eine Welt, in die ich geraten bin?« fragte Monica.
»Du bist nicht geraten, sondern geholt worden. Von Roa, wie ich es ihr befahl«, sagte Koo. »Und du bist auch nicht hier, um Fragen zu stellen.«
Das klang nicht gerade freundlich, fand Monica. Entsprechend schärfer wurde ihr Ton. »Was soll das? Wer hat euch erlaubt, mich zu entführen? Bringt mich zum Weltentor zurück. Ich gehöre offenbar nicht hierher, ihr scheint mir deinen Worten nach nicht freundlich gesonnen. Also…«
Der Schamane hob eine Hand.
»Du führst eine kecke Rede, Menschenwesen«, sagte er. »Niemand muß uns erlauben, etwas zu tun. Wir benötigen dich. Also wirst du vorerst nicht in deine Welt zurückkehren, vielleicht nie.«
Monica preßte die Lippen zusammen. Plötzlich machten sämtliche Zentauren einen feindlichen Eindruck auf sie. Sie sah die Waffen blitzen und faßte einen verwegenen Plan. Vielleicht konnte sie sich den Weg zurück erzwingen…?
Sie fuhr herum und entriß Roa das in der Scheide steckende Schwert. Die Klinge pfiff durch die Luft, der Stahl blitzte im Schein des Lagerfeuers. Roa fuhr auf, wollte sich erheben. Aber diesmal war Monica schneller. Blitzschnell schwang sie sich auf Roas Rücken, umschlang den Oberkörper der Zentaurin mit dem linken Arm und ließ das Schwert in der rechten Hand vor dem Gesicht der Zentaurin aufblitzen.
»Wenn du dich wehrst, stirbst du, Roa«, warnte sie. »Das gilt auch für alle anderen. Ganz ruhig bleiben.«
Jetzt sprach die Anführerin Gaa. »Was hast du vor, Menschenwesen? Glaubst du, wir würden uns von dir zwingen lassen?«
»Wollt ihr Roas Tod verschulden?« fragte Monica. Die Schneide des Schwertes näherte sich Roas Hals. Die Zentaurin bewegte sich nicht. Sie versuchte weder, Monica abzuwerfen noch ihr das Schwert wieder zu entwinden. Sie ahnte, daß Monica in jedem Fall genug Zeit haben würde, sie zu töten oder wenigstens schwer zu verletzen. Roa war klug. Sie ging dieses Risiko nicht ein. Monica befand sich in der besseren Position.
Die anderen Zentauren lagen so, daß Monica den Rücken frei hatte. Sie konnte mit schnellen Rundblicken die gesamte Gruppe unter Kontrolle halten. Wenn einer der Zentauren zur Waffe greifen wollte, würde Monica es unweigerlich bemerken.
»Wir verschulden nicht Roas Tod«, sagte die Anführerin. »Aber wir lassen dich auch nicht gehen.«
»Roa wird sich jetzt ganz vorsichtig auf alle vier Beine erheben«, sagte Monica. »Und sie wird mich den Weg zurücktragen zum Weltentor. Niemand wird mir folgen. Ansonsten stirbt Roa.«
Sie bluffte.
Es wäre Mord. Sie würde es nicht fertigbringen, die Zentaurin zu töten. Sie hatte sogar Angst davor, ihr eine Verletzung zuzufügen - sei es aus Versehen, oder um mehr Nachdruck hinter ihre Forderung zu legen. Sie konnte nur hoffen, daß die Zentauren den Bluff nicht durchschauten.
»Nichts dergleichen«, sagte Gaa, »wird geschehen. Du gibst deinen Kampf auf, noch ehe er begonnen hat.«
Sie gab dem Schamanen einen Wink. Der hob eine Hand, ehe Monica ihre Drohung verstärken konnte. Es blitzte bläulich auf, und von einem Moment zum anderen glaubte Monica die Umgebung nur noch durch einen Farbfilter zu sehen.
Alles erhielt einen starken Rotstich. Nur das Aufblitzen, das immer wiederkehrte, war blau in diesem roten Farbenspiel, das keine Schattierung ausließ.
Mehr geschah nicht.
Aber Monica ließ die Hand mit dem Schwert sinken und löste ihren Griff um Roas Oberkörper. Langsam glitt sie vom Pferderücken. Roa entspannte sich offensichtlich erleichtert. Anscheinend hatte zumindest sie den Bluff nicht durchschaut.
Monica gab ihr das Schwert zurück, schob es sorgfältig in die Lederscheide. Dann setzte sie einen Fuß vor den anderen und näherte sich einer der Laubhütten am Rand der Lichtung. Dabei mußte sie an dem Schamanen vorbei, der jetzt rot leuchtete. Aber aus seiner Hand kam immer noch das blaue Aufblitzen, und jedesmal verstärkte es das Rotlicht unmerklich.
Kein Befehl wurde laut. Dennoch wußte Monica genau, was sie zu tun hatte. Sie betrat die Laubhütte, löste das Tuch um ihre Hüften
Weitere Kostenlose Bücher