0336 - Die Geburt des Schwarzen Tod
Wanken. Wie ein Turm, der von innen her aufgesprengt worden war.
Wir hatten Angst, daß die Teile auf uns niederfallen würden.
Meine Haut auf dem Rücken zog sich zusammen, aber das Bauwerk explodierte nicht. Dafür sank es ein.
Stück für Stück wurde es vom schwarzen Todessumpf gefressen.
Und an den Stellen, wo sich Risse gebildet hatten, schmolz das Gold weg wie unter einem Hitzeschleier.
In diesen Momenten erinnerte mich der Höllensumpf an ein gefährliches Raubtier, das dabei war, einen schwächeren Gegner mit allen Geräuschen des Wohlbehagens zu zerreißen.
Da schwang uns das Schmatzen und Klatschen entgegen. Wir hörten ein sattes Schlürfen, ein Blubbern, dann ein Rülpsen.
Aber es war nur der Sumpf, der sich sein Opfer holte. Das Licht aber schwebte näher.
Auch wir wurden bald von seinem roten Schein erreicht, der sich wie eine Decke ohne Gewicht über unsere Körper legte. Gleichzeitig änderte sich auch die Temperatur.
Es wurde kalt!
Bisher hatten wir eine durchweg angenehme Wärme kennengelernt, doch diese Kälte war unnatürlich. Wir fröstelten beide, und mir kam der Gedanke an die Kälte des Todes.
Ich schaute nach unten auf mein Kreuz. Es rührte sich nicht. Kein Blitzen, kein Zucken oder Strahlen, das Kruzifix hätte ich in diesen Momenten auch in den Sumpf werfen können, der Erfolg wäre sicherlich der gleiche gewesen.
Aber es hatte doch früher auf den Schwarzen Tod reagiert! Wieso nicht jetzt? Da kannte ich die Zusammenhänge nicht und wußte nichts davon, daß der Schwarze Tod später die Seiten gewechselt hatte und praktisch zur Hölle übergetreten war.
Wir erlebten den Anfang.
Der Sumpf holte alles, was er haben wollte. Das Schmatzen und Gurgeln nahm kein Ende. Er war wirklich das unheimliche, gierige Raubtier, das nie genug bekommen konnte.
Und die Pyramide verschwand.
Zum Schluß würde nur mehr ein Quadrat zurückbleiben, bevor sich der Sumpf endgültig schloß.
Wir waren auch nicht mehr weitergegangen, weil wir keinesfalls in den gefährlichen Sog hineingeraten wollten, denn der Höllensumpf hätte uns höchstens als untote Schlammonstren wieder freigegeben.
Ein letztes gewaltiges Aufblähen, ein Stöhnen, ein Schmatzen und Schlürfen, dann hatte sich der Höllensumpf geschlossen. Nichts war mehr von der Pyramide zu sehen.
Dort, wo sie einst gestanden hatte, bewegte und wellte sich der Todessumpf.
Unser Blick war frei geworden. Wir schauten über die braunschwarze Fläche, die weiter entfernt einen anderen Farbton an der Oberfläche angenommen hatte.
Das rote Licht trug die Verantwortung und hüllte das Gebiet ein, das sich Höllensumpf nannte.
Vier Wege hatten zur Pyramide geführt. Sie führten immer noch in die Richtung. Nur sahen wir das Bauwerk nicht mehr, so daß die Wege mitten im Sumpf endeten.
Wenn ich mir von den Endpunkten die Umrisse der Pyramide dachte, hatte ich genau ein Viereck. Wahrscheinlich der Grundriß, auf dem das Bauwerk gestanden hatte.
Bedeutete dies etwas?
Davon konnte ich ausgehen, denn innerhalb dieses gedachten Vierecks geschah mehr als woanders.
Da lebte der Sumpf.
Wir brauchten nicht näher heran und konnten auch von unserer Position aus das erkennen, was wir sehen wollten. Der rötliche Schein über dem Viereck hatte sich verdichtet. Sehr intensiv leuchtete er, gleichzeitig auch dunkel, denn es war kein strahlendes Licht, das uns umklammert hielt. Ich hatte das Gefühl, als würde es nicht nur an der Oberfläche des Sumpfes schweben, sondern in die Masse eindringen, um das zu erwecken, was in ihr begraben lag oder zusammengefügt werden mußte.
Still war es nicht. An die Laute hatten wir uns mittlerweile auch gewöhnt, so daß uns das neue Geräusch besonders auffiel.
Ein Heulen und Klagen. Geboren in den Tiefen des Sumpfes, drang es bis an die Oberfläche und klang oftmals erstickt und abgehackt. Mir kam es vor, als steckte jemand im Schlamm und litt unheimliche Qualen.
Geburtsqualen möglicherweise…
»Er kommt, nicht wahr?« hauchte das Mädchen neben mir.
Ich nickte nur.
Noch kam er nicht. Dafür schoß völlig überraschend eine hohe Schlammfontäne in die Höhe und wurde zu einem gewaltigen Arm, der innerhalb des roten Lichts aussah wie ein breiter Blutstrom.
Automatisch verfolgten wir mit unseren Blicken die Schlammsäule, die hochstieg – und, als die Anziehungskraft wieder stärker wurde, in sich zusammensank.
Dabei fächerte sie auseinander, und wir erkannten, daß sie bisher Leichenteile, Knochensplitter
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