0336 - Nachts sind alle Gangster grau
nicht verraten.
***
Mr. High blickte mich an, als ich so rasch wieder in seinem Büro aufkreuzte.
»Jerry, was ist los?«
»Die Untersuchung ist meinerseits abgeschlossen, Chef«, berichtete ich. »Paul Brentford hat 42 732 Dollar 50 Cents unterschlagen. An der Korrektheit dieser Summe dürfte nicht einmal ein Finanzberater etwas auszusetzen haben. Aber darum geht es mir jetzt nicht. Ich glaube, ich habe seine Spur gefunden.«
Mr. High hörte mir aufmerksam zu, als ich ihm die Sache mit dem Reiseprospekt erklärte.
»Gut, Jerry«, sagte er dann. »Das beweist wieder einmal, wie wichtig es ist, jedem Wisch Beweismaterial zu entlocken. Ich verstehe nicht, warum der Wisch nicht schon bei der ersten Untersuchung aufgetaucht ist.«
Ich nickte wortlos. Wir hatten Brentfords Wohnung auf den Kopf gestellt und dabei nichts gefunden.
»Ich werde Sie hinter Brentford herschicken, Jerry«, bestimmte der Chef nach kurzer Überlegung: »Damit erledigen wir zwei Fälle in einem Schlag. Wenn Sie am Lake Cayuga sind, kann der andere Bursche nichts gegen Sie unternehmen, und bis Sie wieder zurückkommen, haben wir ihn bestimmt gefasst.«
Mr. High wollte mich also abschieben, damit mir keiner eine Kugel in den Rücken jagen konnte. Obwohl ich keineswegs Lust hatte, mich auf diese Weise zu drücken, wusste ich, dass es keinen Zweck hatte, unseren Chef von einer Entscheidung abzubringen.
Mr. High öffnete eine Schreibtischschublade und brachte eine dicke Akte zum Vorschein, die er mir über den Tisch zuschob.
»Stecken Sie mal in der Zwischenzeit die Nase hier hinein, Jerry. Vielleicht fällt Ihnen dabei etwas auf. Ich will mich eine Weile mit Paul Brentfords Reiseziel beschäftigen. Bis Sie in Cayuga ankommen, dürften wir längst wissen, wo er sich verkrochen hat. Ich glaube kaum, dass er Ihnen große Schwierigkeiten bereiten wird. Ein Held scheint er nicht gerade zu sein.«
***
Die dicke Akte befasste sich hauptsächlich mit Frankie Orlando und seiner Vergangenheit. Obwohl die Berichte im offiziellen Ton gehalten waren, schienen sie keineswegs uninteressant.
Ganz im Gegenteil, denn Frankie Orlando hatte ein recht bewegtes Leben geführt, auch wenn er nur einmal — in seiner Jugend — eine flüchtige Bekanntschaft mit dem Gefängnis in Rockrift gemacht hatte.
Dabei hatte es sich um einen kleinen Diebstahl gehandelt, bei dem der jugendliche Orlando erwischt worden war. In diesen sechs Monaten musste Frankie Orlando seine Lehre durchgemacht haben.
So hatte es wenigstens den Anschein, wenn man zwischen den Zeilen las, denn er war nie wieder ins Gefängnis gekommen — nicht einmal zu Besuchen bei seinen weniger erfolgreichen Freunden.
Aber deswegen war er noch lange kein Musterbürger geworden.
Frankie Orlando hatte offenbar gelernt, sich in Zukunft nie wieder in eine Ecke zu verlaufen, aus der es keinen anderen Ausweg gab als eine Zelle in irgendeinem Gefängnis.
Nach seiner Entlassung aus der Haftanstalt war er eine ganze Zeit verschwunden, aber er hatte die nächsten Jahre doch gut genutzt.
Bei welcher Bande er untergeschlüpft war, stand noch immer nicht fest, aber er musste eingesehen haben, dass ein unerfahrener Einzelgänger gegen das Netzwerk der Polizei keine Chancen hatte.
Nur eine Gang von Spezialisten, die ihre unangenehmen Erfahrungen hinter sich hatte, konnte sich zeitweilig halten, bevor es auch ihr an den Kragen ging.
Ehe er noch so weit gekommen war, hatte sich Frankie Orlando von seinen Lehrern getrennt und sich zu einer Konkurrenz entwickelt.
Mit seinen ersten Erfolgen begann sich auch die Polizei für ihn zu interessieren, aber es konnte ihm nie etwas nachgewiesen werden, bis er es dann doch zu arg trieb.
Einige Male hatte ihn die Polizei ganz schön in die Zange genommen, aber Orlando hatte nicht umsonst eine gute Lehre abgesessen. Er war immer wieder durch das Netz geschlüpft.
Aber am Ende hatte ihm das alles nichts genützt, denn jetzt war er tot, auch wenn mich jemand vom Gegenteil überzeugen wollte.
Eines aber machte mich stutzig. Frankie Orlando hatte einen Zwillingsbruder, aber der war schon seit drei Jahren tot. Ich las den Bericht über die Zusammenhänge des Selbstmordes.
Danach war Frankie Orlando nicht das einzige schwarze Schaf der Familie.
Jack Orlando hatte es allerdings nicht so weit gebracht wie sein Bruder. Er war in Rockrift wegen eines Kapitalverbrechens gesucht worden und hatte sich die Schlagadern durchschnitten, bevor er gefunden worden war.
Ich legte die Akte
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