0336 - Nachts sind alle Gangster grau
beiseite und befasste mich mit der Straßenkarte. Rockrift lag nicht allzu weit abseits der Route nach Cayuga.
Vielleicht würde es sich lohnen, einen Abstecher dorthin zu machen, um etwas über die Orlandos zu erfahren.
Eine Stunde später fuhr ich wieder nach Hause, packte ein paar Sachen in die Reisetasche, unter anderem ein zweites Magazin für die Smith & Wesson und war reisefertig. Ich war schon auf dem Weg zur Tür, als das Telefon klingelte.
Es war wieder mein geisterhafter Verehrer.
»Ich möchte dir gute Fahrt nach Cayuga wünschen, G-man«, knurrte er, als könnte er Gedanken lesen. »Die Spritztour wird dir aber nicht helfen, deinem Schicksal zu entkommen. Du stirbst in Cayuga ebenso wie in New York. Dabei werden dir auch deine Kollegen nicht helfen können, die du mir auf den Hals schicken wolltest.«
Dann hatte er auch schon wieder eingehängt, bevor ich die Sprache wiedergefunden hatte.
Diese Sache ging wirklich nicht mit rechten Dingen zu.
Außer Mr. High war ich der einzige, der mein Reiseziel kannte, denn ich hatte keiner Seele etwas verraten.
***
Es war schon spät am Nachmittag, als ich den Jaguar in Rockrift ausrollen ließ und mir zwei Tassen Kaffee und einen Stapel Sandwiches einverleibte, bevor ich mich auf den Weg zum Sheriff machte.
Mein Ausweis riss ihn nicht gerade zu einem Freudentanz hin. Er blies verächtlich durch die Nase, blickte mich abschätzend an und schob den Kaugummi in die andere Seite seines keineswegs kleinen Mundes.
»Habt ihr in New York nichts Besseres zu tun, als uns zu belästigen?«, knurrte er schlecht aufgelegt. »Was liegt denn an?«
»Ich möchte etwas über eine Sache wissen, in die vor vier Jahren ein gewisser Jack Orlando verwickelt war«, klärte ich ihn auf.
Er ließ sich in seinen Sessel fallen, faltete die Beine übereinander und strahlte mich erleichtert an.
»Da kann ich Ihnen nicht helfen, Cotton«, sagte er zufrieden. »Das war vor meiner Amtszeit. Ich bin nämlich erst seit einem Jahr hier. Sie müssen sich schon an andere wenden.«
»Wo finde ich Ihren Vorgänger?«, fragte ich.
Er antwortete prompt: »Sechs Fuß unter der Erde, ganz in der Nähe der Kirche. Er holte sich eine Lungenentzündung.«
Langsam verlor ich die Geduld.
»Gibt es denn hier niemanden, der sich noch an Jack Orlando erinnern kann?«
Er schob den Kaugummi wieder auf die andere Seite.
»Versuchen Sie es mit Doc Noremac«, schlug er vor, und diese unerwartete Hilfsbereitschaft überraschte mich beinahe. »Der kann sich recht gut an alles erinnern. Er hat mir schon jede Kleinigkeit darüber mindestens hundertmal erzählt. Er kannte die Orlando-Brüder und ihren Vater recht gut.«
Ich legte den Finger an die Hutkrempe und ließ den wiederkäuenden Sheriff in seinem Büro sitzen.
Doc Noremacs Office war am anderen Ende des Delaware Drives. Die Tür war versperrt, aber unter der Glocke hing ein Zettel: »Zurück um 8.«
Ich blickte auf die Uhr. Es würde nicht allzu schwierig sein, mir eine Stunde um die Ohren zu schlagen. Heute Nacht konnte ich kaum nach Cayuga weiter, um Paul Brentford bei Nacht und Nebel aus den Federn zu holen. Das musste bis zum Morgen Zeit haben.
***
Es war schon dunkel geworden, als ich wieder zu Doc Noremacs Praxis zurückkehrte. Ich war ziemlich sicher, dass mich niemand hierher verfolgt hatte.
Ich hatte auf der Fahrt von New York hierher die Augen auf gehalten, aber trotz der telefonischen Warnung keine Spur meines Schattens gesehen. Trotzdem hatte ich ein unangenehmes Gefühl im Nacken.
Der Zettel unter der Glocke war jetzt verschwunden, und das bedeutete, dass der Doc zurückgekehrt war. Ich drückte auf die Klingel, aber ich hörte kein Summen und nahm an, dass das Ding vielleicht nicht funktioniere.
Dann legte ich die Hand auf die Klinke, und die Tür gab unter dem Druck nach.
Die Halle dahinter war dunkel, und ich zögerte einen Augenblick, bevor ich zwei Schritte nach vorn machte.
Das war der entscheidende Fehler.
Bevor ich den Mund öffnen konnte, um Doc Noremacs Namen zu rufen, hörte ich ein pfeifendes Sausen hinter mir.
Ich wollte mich zur Seite werfen, aber dazu war es schon zu spät.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, jemand hätte mir das Empire State Building gegen den Schädel geworfen.
Die Dunkelheit verwandelte sieh in ein feuriges Rad, das mich herumschleuderte. Meine Beine sackten ab und plötzlich wusste ich nur noch eines mit Bestimmtheit: mein Verfolger hatte seine Drohung wahr gemacht.
***
Es dauerte
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