0336 - Nachts sind alle Gangster grau
ich starrte verdutzt vor mich hin. Der Bursche wollte mich also nicht nur nervös machen, sondern er hatte weit ernstere Absichten.
Allerdings hatte er jetzt mit seiner Drohung genau das Gegenteil erreicht. Statt mich einzuschüchtern, hatte er mir seine Absichten verraten.
Es war nicht das erste Mal, dass jemand hinter mir her war. Der Bursche würde genauso wenig Erfolg haben wie alle anderen.
An diesem Abend war es nicht einfach, einzuschlafen. Zur Vorsicht hatte ich die Pistole auf den Nachttisch gelegt, um sie im Notfall zur Hand zu haben.
Ich war schon eingeschlafen, als mich gegen Mitternacht das Telefon aus den Federn riss. Ich griff danach und grunzte etwas in die Muschel.
Es war wieder der Bursche. Langsam wurde mir klar, dass er genau nach einem Plan vorging, durch den er mich so zermürben wollte, dass ich mit der Zeit die Nerven verlor und damit reif für ihn war.
»Hast du gut geschlafen, G-man?«, fragte er höhnisch. »Ich hoffe es. Du hast nämlich nur noch 48 Stunden, bevor du stirbst. Den genauen Zeitpunkt habe ich mir noch nicht überlegt. Er wird meine besondere Überraschung für dich sein. Und jetzt schlaf ruhig weiter, wenn du kannst. Du hörst wieder von mir!«
Ich hörte das hässliche Lachen, das durch das Knacken in der Leitung abgeschnitten wurde, und warf den Hörer auf die Gabel.
Ich zog mir die Bettdecke über die Ohren und war zehn Minuten später eingeschlafen. Frankie Orlando kam allerdings in meinen Träumen nicht vor.
***
Ich wurde durch das Klingeln an meiner Wohnungstür geweckt, wickelte mich in meinen Morgenmantel und griff mir zur Vorsicht die Pistole, bevor ich zur Tür marschierte.
Meine Vorsicht war unbegründet. Draußen stand ein junger, pausbackiger Telegrafenbote und reichte mir einen gelben Umschlag.
Ich riss ihn auf und überflog die wenigen Worte des Telegramms, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Eine Antwort war in diesem Fall nicht nötig, denn das Telegramm stammte von meinem Verehrer, der mir seit gestern nicht mehr von der Pelle ging.
Der Absender nannte sich Frankie Orlando, und das Telegramm war auf dem New Yorker General Post Office aufgegeben worden.
Hast ein Viertel deiner Zeit verschlafen. Denk an Frankie Orlando. Genieße deine letzten Stunden.
Halbwegs gelang es mir, zu grinsen. Ich klemmte mir die Zeitung unter den Arm und ging nachdenklich in die Küche.
Es wurde langsam Zeit, dass Mr. High erfuhr, was hier gespielt wurde.
Während der Kaffeekessel leise summte, blätterte ich die Zeitung durch, ohne was Nennenswertes zu finden. Erst auf der vorletzten Seite wurden meine Augen durch einen dicken roten Bleistiftstrich auf eine davon eingekreiste Anzeige gerichtet.
Dabei handelte es ich nicht um irgendeine Reklame, sondern um eine Traueranzeige, und mein Gesicht verfinsterte sich, als ich die Zeilen überflog.
Die Belegschaft der FBI-Division New York bedauert zutiefst das plötzliche Ableben ihres Kollegen Jerry Cotton der von unbekannten Tätern ermordet wurde.
Ich fuhr mir mit der Hand über das unrasierte Kinn und fühlte dabei, dass meine Kiefer arbeiteten.
Dieser Bursche ließ keine Gelegenheit aus, mich einzuschüchtern. Er musste an diesem Morgen an meiner Wohnungstür gewesen sein, um die Zeitung abzufangen.
Er ging also nicht nur nach einem genauen Plan vor, er wusste auch über mich und meine Gewohnheiten genau Bescheid. Beim nächsten Mal würde er mir wahrscheinlich nicht nur einen harmlosen Besuch abstatten, sondern irgendwas Unangenehmes planen.
Ich rasierte mich, stieg in einen Anzug und stürzte zwei Tassen Kaffee hinunter. Mit einem ausgiebigen Frühstück gab,, ich mich an diesem Morgen nicht ab.
Dafür nahm ich mir mehr Zeit, um den Jaguar aus der Garage zu holen. Diese Vorsicht lohnte sich. Jemand hatte sich die Mühe gemacht, die Radmuttern am linken Vorderrad zu lockern, und ich brauchte mir nicht lange zu überlegen, wer das sein konnte.
***
Eine halbe Stunde später traf ich in Mr. Highs Office und erstattete ihm Bericht über Mr. Brentfords Unterschlagungen. Er gab mir Anweisungen, den Fäll weiterzuverfolgen.
Ich wartete auf eine Atempause, und dann legte ich ihm das Telegramm und die Annonce aus der Zeitung auf den Schreibtisch.
»Das dürfte Sie interessieren«, meinte ich gelassen und sah, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen. Dann las er sorgfältig beide Papiere, wendete sie und blickte mich lächelnd an.
»Sie haben doch hoffentlich nicht über diesem Scherz Ihren Schlaf verloren,
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