0339 - Walpurgisnacht
Straße. Aber da, wo es sein muß, steht kein Wagen…«
»Überhaupt, wie hattest du dir das alles vorgestellt?« wollte Möbius wissen. »Wenn du das Auto hast, hast du noch lange nicht die Besitzerin. Vielleicht hat sie etwas bemerkt und das Amulett entfernt. Es liegt möglicherweise hier im Rinnstein.«
»Verflixt«, sagte Zamorra. »Das könnte sein.«
»Es gäbe eine Möglichkeit, diese Hexe über das Kennzeichen des Wagens ausfindig zu machen.«
»Wenn du es dir gemerkt hast… ich nicht. Ich habe nur auf den Wagen selbst geachtet. Und es mag durchaus sein, daß im Kreis Goslar ein paar Dutzend grüne Fiestas zugelassen sind. Außerdem halte ich es für fraglich, daß die Verkehrsbehörde bereitwillig Auskunft an Privatleute erteilt.«
»Wir könnten angeben, daß sie einen Unfall mit Fahrerflucht verursacht hat.«
Zamorra schüttelte den Kopf. »Das linke Spiel ist nicht meine Art, Stephan. Ich versuche es lieber auf meine Weise. Jetzt möchte ich aber doch 71 verflixt gern wissen, warum das Amulett von hier aus sendet, aber nichts zu sehen ist!«
Er streckte die Hand aus und konzentrierte sich auf den Ruf.
Der Kontakt kam sofort. Die silbrige Scheibe zischte aus dem Straßenbelag hervor, durchdrang ihn einfach aus dem Kanalrohr heraus und glitt widerstandslos durch das geschlossene Wagenfenster, um in Zamorras Hand zu landen.
»Also doch«, sagte Möbius trocken. »Sie hat es bemerkt und abgeschüttelt. Vielleicht befindet sie sich in einem ganz anderen Ort.«
Zamorra preßte die Lippen zusammen.
»Aus für heute«, sagte er. »Wir kehren um. Ich versuche sie zu erwischen, wenn sie wieder Magie einsetzt. Möglicherweise ist sie auch morgen abend wieder im Casino. Ich werde versuchen, sie mit dem Amulett anzupeilen, so oder so.«
»Mit dem Casino ist nicht zu rechnen«, sagte Möbius, während er den Wagen wieder anrollen ließ. »Morgen ist Walpurgis, mein Lieber. Die Nacht zum ersten Mai. Da wird sie sich auf den Besen schwingen und zum Blocksberg reiten, wo die Hexen ja wunderschön tanzen sollen.«
»Es wäre schön, sie vorher zu erwischen«, sagte Zamorra. »Hoffentlich klappt es.«
Eine halbe Stunde später waren sie wieder in Bad Harzburg. Möbius beschaffte einen Mantel und lotste Zamorra ins Hotel. Da sie beide in Haus I untergebracht waren, einem von vier Gebäudekomplexen, hatten sie gewissermaßen ihren eigenen Eingang. Nicole erwartete sie bereits im Zimmer. Verblüfft sah sie Zamorra entgegen, als der sich aus Möbius’ Mantel schälte.
»Was ist dir denn passiert? Hast du beim Pfänderspiel mitgemacht, oder hast du im Casino so gewaltig verloren, daß sie dir sogar den Anzug abgenommen haben?«
Zamorra grinste.
»Wir werden morgen einkaufen, Nici«, verkündete er. »Ich habe nichts anzuziehen.«
***
Erwin Hoffach hatte eine deprimierende Nacht hinter sich. Nach der Feststellung seiner Personalien und einem Alkohol-Bluttest war er zwar wieder freigelassen worden, aber er hatte jeden seiner Schritte, der ihn aus dem Bereich seines Hauses oder seines Arbeitsplatzes führte, der Polizei zu melden, die Anklage erheben würde. Da kam einiges auf ihn zu. Als er am Vormittag im Büro erschien und Irena Vahlbergs spöttisches Lächeln sah, kam ihm die Galle hoch. »Was grinsen Sie mich so unverschämt an?« schrie er.
»Ich wußte nicht, daß das Lächeln neuerdings verboten ist«, erwiderte sie kühl. »Ich erinnere mich nur an Ihre Glückssträhne im Casino…«
»Oh, halten Sie bloß den Mund«, fauchte er. »Oder ich stopfe ihn Ihnen.«
»Viel Vergnügen dabei, Herr Hoffach, übrigens – ich glaube, in Ihrem Büro wartet Besuch auf Sie.«
»Besuch?« Seine Gedanken überschlugen sich. Die Polizei, die noch einmal Fragen an ihn hatte? Oder… jemand von der Bank? Hatte das Casino die neueren Schecks bereits vorgelegt?
»Wer ist es?«
»Da müssen Sie schon Ihre Sekretärin fragen«, gab Irena schnippisch zurück. »Für Ihren Besuch bin ich ja schließlich nicht zuständig.«
Hoffach wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er spürte eine dumpfe Beklommenheit, die nicht weichen wollte. Am liebsten wäre er gar nicht zur Arbeit erschienen, aber es gab Dinge, die aufgearbeitet werden mußten. Im fehlte schon der gestrige Nachmittag…
Und dabei fühlte er sich heute noch schlechter…
Er betrat sein Büro. Ein Mann mittleren Alters im gestreiften Anzug erhob sich. »Herr Hoffach? Ihre Sekretärin war so freundlich, mich hereinzulassen. Es ist erstaunlich, daß
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