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034 - Der Weg nach Westen

034 - Der Weg nach Westen

Titel: 034 - Der Weg nach Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Architravs und des Kranzgesimses. Aus den Trümmern dahinter ragten Birken und eine Pappel. Der rechte Flügelbau war zwar fast vollständig erhalten. Allerdings war eine Mittelsäule der Längsseite eingeknickt. Teile des Architraven und des Gesimses lagen kreuz und quer unter den Säulen.
    Das eigentliche Tor wirkte zwar reichlich verwittert, aber nur das ganz rechte der sechs Säulenpaare und die von ihm einst eingefasste Querwand häuften sich als bewachsene Schutthalde am Boden. Darüber war an dieser Stelle natürlich auch das Gebälk und die Attika auf einer Länge von etwa drei Metern eingestürzt. Vor allem aber fehlte der Streitwagen mit den sechs Pferden und der Siegesgöttin.
    Bäume wuchsen hinter dem Tor in den Himmel. Gebüsch und Gestrüpp füllten die einst durchgängigen Säulenzwischenräume aus. Ein großer Vogel saß an der Stelle, an der vor fünf Monaten noch die Wagenlenkerin gestanden hatte.
    Dave fröstelte. Er hatte nicht allzu viel Ahnung von deutscher Geschichte. Aber dass dieses Wahrzeichen noch im vorletzten Jahrhundert als Symbol preußischer Staats und Militärmacht galt, das wusste er. Auch von Napoleons Triumphzug durch dieses Tor wusste er und vom Ritt Bismarcks und des deutschen Kaisers an der Spitze einer Truppenparade durchs Brandenburger Tor anlässlich der Reichsgründung 1871.
    »Wir reiten weiter.« Daanah lenkte die Riesenkatze nach links. Sie winkte die anderen Reiterinnen hinter sich her. Kaum hatten sie den Pariser Platz verlassen, ritten sie schon wieder durch eine zerklüftete Ruinenlandschaft.
    Die Bäume standen dichter, ein ausgedehntes Waldgebiet schien zu beginnen. Nur wenige Minuten später erkannte Dave Lehmhütten zwischen den Bäumen. Frauen, mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt, hockten davor. Vereinzelt sah Dave auch Männer. Holzkäfige hingen aus dem Geäst der Bäume zwischen den Hütten. Groß genug, um einen Menschen darin einzusperren. Die meisten waren leer. In einigen konnte Dave Viehzeug erkennen. Tiere, die ihm ähnlich exotisch vorkamen wie die Amozenen, wie Urluk und seine Lumpenmänner, wie die ganze zerstörte Dschungelstadt.
    Die Menschen riefen sich unverständliche Worte zu. Immer mehr Frauen traten aus den Hütten ins Freie.
    Dave klammerte sich fest, als die Riesenkatze ein paar Stufen hinauf sprang. Das Tier trug sie zwischen den Lehmhütten hindurch. Kinder liefen jubelnd neben der Katze her. Dave sah sich um die anderen Reittiere hatten längst angehalten. Die Kriegerinnen und Urluk und seine Männer stiegen eben ab.
    »Wohin bringst du mich?«
    »Zur Königin.«
    In der Peripherie seines Blickfeldes stimmte etwas nicht. Dave nahm eine Form wahr, die ihm irgendwie nicht zu den Hütten und Bäumen zu passen schien. Aufmerksamer betrachtete er jetzt die Räume zwischen den Bäumen.
    Hohe Mauerkronen erkannte er dort, halb zerbrochene Durchgänge, die nirgendwo hin als wieder in den Wald führten. Und dann sah er plötzlich gebogene Metallstreben. Sie überragten die Baumwipfel und strebten dem Himmel entgegen. Er blickte zu ihren Spitzen hinauf etwas teilweise Dunkles, vielfach Durch- brochenes wölbte sich zwischen ihnen. An manchen Stellen sah es milchig und trübe aus, dieses Etwas.
    Dave musste lange und konzentriert hinschauen, bis er endlich begriff. Er stöhnte auf. »Das gibt es nicht«, krächzte er in seiner Muttersprache. »Ich… ich glaub, ich bin im Deutschen Reichstag…«
    So oft sein Blick den von Schlingpflanzen verhüllten Streben auch folgte es blieb dabei: Sie trugen die jämmerlichen Reste der Glaskuppel, die sich einst über das deutsche Parlament gewölbt hatte. Die überfallsartige Einsicht raubte Dave für Sekunden die Sprache.
    Das Tier trottete einen Pfad entlang, dann kamen wieder Lehmhütten, schließlich eine größere Behausung aus unbearbeiteten Baumstämmen. Nach ihr verbreiterte sich der Pfad und mündete in einen größeren freien Platz.
    Und mitten auf dem Platz stand die Siegesgöttin im Streitwagen mit dem Vierergespann. Zwei Pferdeköpfe fehlten und ebenso der rechte Arm der Wagenlenkerin. Aber sonst war sie leidlich erhalten, die Frau, die einst die Attika des Brandenburger Tors krönte. Um die Statue herum lagen Früchte, Blumen und andere Dinge; offenbar Opfergaben.
    Daanah lenkte das Tier um die Quadriga herum. Hinter ihr wurde eine zeltartige Holz und Fellkonstruktion sichtbar, vor deren Eingang zwei Speerträgerinnen standen. Eine eilte sofort ins Innere des Gebäudes. Daanah hielt das Tier

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