034 - Der Weg nach Westen
vibrierte. Und von fern drang ein dumpfes Grollen wie von einem heraufziehenden Gewitter. Sie blickten sich an. Barah sah die Farbe aus den Gesichtern ihrer Gefährtinnen und Gefährten weichen.
Rückwärts wichen sie vom Seeufer zurück. Alle blickten um sich und lauschten dabei. Unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung genau das Grollen kam. Es schwoll an, der Boden vibrierte heftiger.
»Bei Wudan«, flüsterte Urluk. »Was ist das…?«
Barah blickte in den Himmel. Grau wie meist war er. Nirgends eine schwarze Wolke. Nein, ein Gewitter zog nicht heran.
Dumpfes Stampfen mischte sich in das Grollen. Oder nein, nicht mehr wie Donnergrollen klang es jetzt, sondern wie das langanhaltende Gebrüll eines ganzen Sebezaan- Rudels. Oder wie das nicht enden wollende Zusammenstürzen einer großen Ruine. Und jetzt konnte man auch das Brechen von Ästen hören.
»Es kommt von dort…« Ramaah, einer der Jäger, deutete in den Wald hinein. »Von der Otowajii…«
Barah legte Daumen und Zeigefinger ihrer Rechten zusammen und steckte sie in den Mund. Ein Pfiff ertönte; kaum konnte man ihn noch von dem donnernden Gebrüll unterscheiden. Noch einmal musste sie pfeifen. Kurz darauf schlichen die Riesenkatzen aus dem Wald sie sprangen nicht, sie schlichen. Ihre Nackenfelle waren gesträubt und alle zehn hatten ihre Schweife zwischen die Hinterläufe gekrümmt. Jetzt erst bekam es auch Barah mit der Angst zu tun.
Die Erde vibrierte heftiger. Zwei von Urluks Jägern rannten den Sebezaan entgegen. Drei Jägerinnen folgten ihnen in wilder Flucht. Die anderen standen wie festgewachsen.
Barah spähte zum Waldrand. Ohrenbetäubendes Gebrüll donnerte jetzt über Lichtung und See. Wer immer da brüllte er brüllte ohne Luft zu holen, und er brüllte aus einer Kehle, die aus Eisen zu bestehen schien. Holz splitterte, zwei Birken brachen aus dem Waldrand in die Lichtung hinein, Büsche bogen sich auseinander und dann schob sich etwas Grünes, Fleckiges auf die Lichtung, starr und groß wie ein Hütte…
»Orguudoos Todesbote!«, brüllte Urluk. Barah spürte seinen eisernen Griff um ihren Unterarm. Er riss sie mit sich fort zu den Sebezaan. Die Tiere regten sich nicht mehr. Tief ins Gras geduckt lauerten sie dem Ungetüm am Waldrand entgegen. Sie fauchten. Barah sah es an ihren weit aufgerissenen Rachen und ihrem entblößtem Gebiss hören konnte sie es nicht. Das dröhnende Gedonner des Ungetüms übertönte jedes Geräusch.
Sie hetzten durchs Gras. Rechts und links rannten drei Jägerinnen. Die anderen und Urluks Jäger hatten sich schon auf die Katzen geschwungen. Barah sah sich um; sie musste es einfach tun. Das fleckige grüne Ungeheuer kroch über die Lichtung. Ein wandförmiges Schild mit riesigen Zähnen am unteren Rand trug es vor sich her. Aus seiner klobigen Schnauze ragte ein starrer Schaft, aus dem Dampf quoll.
Urluks Schrei gellte ihr im Ohr: Orguudoos Todesbote! Sollte der Bucklige Recht haben…? Noch zehn Schritte bis zu den lauernden Katzen. Barah hörte Urluk keuchen. Noch einmal sah sie sich um. Das Ungeheuer kroch über die Lichtung. Erde spritzte rechts und links von ihm hoch. Und hinter ihm brachen schon wieder Bäume in die Lichtung hinein. Ein zwei- tes Ungetüm walzte über Büsche und Gestrüpp, ebenfalls grün, aber ohne Schild. Es zog eine Hütte hinter sich her…
Kurze abgehackte Donnerschläge peitschten über die Lichtung. Barah sah eine der Kriegerinnen rechts von sich die Arme hochreißen, den Kopf in den Nacken werfen, und bäuchlings ins Gras stürzen…
***
Die folgenden Tage waren ein Spaziergang. Wie von selbst ging Dave die Arbeit von der Hand. Stark wie ein Riese fühlte er sich, als könnte er Bäume ausreißen. Daanah wich nicht mehr von seiner Seite. Kurzerhand quartierte sie sich bei ihm in der DC-3 ein. Wenn man Dave gefragt hätte, was er davon hielt, hätte er geantwortet: »Etwas Schöneres wird mir mein ganzes Leben lang nicht mehr passieren.«
Sie waren so verliebt, dass sich flüchtige Küsse und zärtliche Berührungen während der Arbeit nicht vermeiden ließen. Und so merkten die anderen schnell, was mit ihnen los war. Sie reagierten zwiespältig. Am Anfang beargwöhnten die meisten Frauen das Paar misstrauisch.
So etwas wie Liebe kannte man nicht, weder bei den Menen und schon gar nicht bei den Frawen. Von den Müttern und Großmüttern hatten sie gelernt, dass man sich einen Geschlechtspartner unter Gefangenen aussucht. Und zwar ausschließlich nach körperlichen
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