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034 - Die toten Augen

034 - Die toten Augen

Titel: 034 - Die toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Agapit
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nicht sie selbst. Es wird eine Frau mit einer Augenbinde im Bett liegen. Der Arzt hat das angeordnet, da kein Licht in ihre Augen kommen darf. Zur Sicherheit muß es ganz dunkel im Zimmer sein, und so werden die Besucher ihr Gesicht nicht erkennen.“
    „Eine Frau? Welche Frau, Mylord?“
    „Kommen Sie nicht darauf, Jane?“
    „Sie wollen doch nicht sagen … ich, Mylord?“
    „Sie sind sehr klug, Jane.“
    „Aber was erhoffen Sie sich von dieser Komödie, Mylord?“
    „Ich habe es Ihnen gesagt. Die Gerüchte sollen verstummen. Alle werden sehen, daß ich meine Frau und meinen Sohn aus erster Ehe noch habe. Und dann …“
    „Dann, Mylord?“
    „Dann, wenn alle überzeugt sind, daß meine Frau und mein Sohn leben, erzählen wir, daß wir auf den Kontinent zurückkehren, um mit der Gräfin einen Augenspezialisten aufzusuchen. Wir fahren alle vier nachts fort, und wenn wir in Frankreich sind, kann mein neuer Sohn hingehen, wo er will. Natürlich bekommt er Geld von mir. Und wir drei, Sie, Matt und ich, gehen nach Amerika, nach Mexiko oder auf eine einsame Insel im Pazifik. Dort bleiben wir bis ans Lebensende. Gefällt Ihnen dieser Plan, meine Liebe?“
    „Ich möchte Gräfin werden.“
    „Gräfin? Und Ihr Mann, Jane?“
    „Wir werden uns scheiden lassen. Er kann dann verschwinden. Ich bleibe bei Ihnen.“
    „Nun ja, warum nicht? Sie haben das richtige Alter, sind hübsch, und ich brauche schließlich eine Frau. Vor allem eine kluge Frau.“
    „Versprechen Sie es mir?“
    „Ich schwöre es.“
    „Verkaufen Sie Ihr Schloß?“
    „Warum nicht?“
    „Nein, Mylord. Die neuen Besitzer könnten Verdächtiges entdecken. Sie verstehen, was ich meine, Mylord. Später können wir ja hierher zurückkommen, und Sie sagen allen, ich sei Ihre dritte Frau.“
    „Um Sie heiraten zu können, brauchte ich Papiere, die beweisen, daß Ihr Mann gestorben ist.“
    „Diese Papiere kann man für Geld irgendwo bekommen.“
    „Und Fred?“
    „Egal, wo er hingeht. Hat er jemand in Frankreich gesagt, daß er hierherkommen würde?“
    „Warum fragen Sie das, Jane?“
    „Er plaudert vielleicht etwas aus, Mylord. Matt könnte das auch tun.“
    „Sie wollen damit doch nicht sagen, man müßte die beiden auch töten? Jane, Sie sind aber ziemlich skrupellos. Ich mag diesen jungen Mann nicht besonders, weil er der Gräfin zu sehr ähnelt, aber daran zu denken …“
    „Wer ist denn dieser junge Mann, Mylord?“
    „Das ist doch nicht wichtig. Matt habe ich übrigens sehr gern, und ich könnte ihm nie etwas zuleide tun.“
    „Wie Sie wollen, Mylord. Ich hoffe nur, daß Sie Ihre Entscheidungen niemals bereuen müssen.“
    „Wenn ich auf Sie hörte, würde ich wohl alle töten. Aber es gibt im Augenblick nur zwei Personen, denen ich den Tod wünsche, und die kennen Sie.“
    „Gut, Mylord. Kann ich wieder an meine Arbeit gehen?“
    „Bitte.“
     

     

Am späten Nachmittag, nachdem der junge Mann in sein Zimmer gebracht worden war und einen Schlafanzug undPantoffeln aus dem Koffer des Toten bekommen hatte, bat ihn der Graf, in das Zimmer der Gräfin zu kommen.
    In diesem Zimmer war es so dämmrig, daß man gerade eine verdeckte Gestalt in dem großen Bett wahrnehmen konnte. Die Decke war bis über das Kinnhinaufgezogen, die Augen mit einer breiten Binde bedeckt.
    „Sagen Sie etwas zu ihr“, flüsterte der Graf.
    „Tante Claire, Tante Claire“, hauchte der junge Mann der Kranken ins Ohr.
    Der Körper bewegte sich etwas, der Kopf der Kranken drehte sich zur Seite.
    „Du, Fred?“ sagte sie auf französisch. „Meine Augen, meine Augen …“
    Danach herrschte ein langes Schweigen.
    „Lassen wir sie lieber schlafen“, meinte der Graf. „Sie ist nicht ganz bei Bewußtsein. Sie bekommt vom Arzt sehr viele Schmerzmittel.“ Als sie wieder allein war, stand
    Jane auf, nahm die Augenbinde ab und ging ins Büro zurück.
    „Hat alles geklappt?“ fragte Matthew.
    „Sehr gut. Aber etwas hat mich stutzig gemacht.“
    „Was denn?“
    „Die Art, wie der junge Mann ‚Tante Claire’ flüsterte. Darin schwang so viel Zärtlichkeit mit. Eine Frau spürt so etwas. Einen Moment lang dachte ich, es sei wirklich Fred, der ‚Tante Claire’ sagte. Ich frage mich, wer dieser Junge ist. Der Graf wollte es mir nicht verraten.“
    „Vielleicht ist es ihr Sohn.“
    „Unmöglich, das wüßten wir doch.“
    Das Problem blieb, zumindest im Augenblick, ungelöst.
    In den folgenden Tagen machte der Gast im Schloß alle Hoffnungen von Jane und

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