034 - Die toten Augen
nur mache, um eine Lösung für unser Problem zu finden. Danach wird alles einfacher sein. Wir können dann zum richtigen Zeitpunkt das Schloß verlassen, ohne irgendwelchen Verdacht zu erregen. Verstehen Sie?“
„Nicht ganz, Mylord. Wenn ich wüßte, was Sie in Paris machen wollen.“
„Später, später.“
„Hat Ihre Reise etwas mit dem Brief zu tun, den Sie aus Paris bekommen haben?“
„Sie sind sehr neugierig, Jane.“
„Ich muß es schließlich sein. Manchmal ist der Rat einer klugen Frau sehr wichtig. Es ist falsch, daß Sie sich nicht mir anvertrauen, Mylord. Ich hoffe, Sie machen nicht irgendeine Dummheit, die uns alle ins Verderben stürzt.“
„Ich muß ein gewisses Risiko auf mich nehmen. Ich fahre heute abend ab. Erinnern Sie mich daran, daß ich meinen Paß mitnehmen muß.“
Als der Graf abgereist war, fragte sich Jane, ob er nicht plötzlich verrückt geworden sei. Oder ob er sich nicht zumindest eine ziemlich verrückte Idee in den Kopf gesetzt hatte, die nichts Gutes bringen konnte. Sie sprach mit ihrem Mann darüber.
„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie er das machen will, Matt. Ich traute meinen Ohren nicht, als er sagte, er würde sich den Leuten mit seiner Frau und seinem Sohn zeigen.“
„Er hat mir das auch erzählt, als ich ihn zum Bahnhof brachte. Er will mit ihnen Spaziergänge machen, zumindest mit seinem Sohn, damit die Leute aus dem Dorf ihn sehen. Und dann will er die Adligen aus der Umgebung einladen. Die können dann seinen Sohn sehen und die Gräfin, die im Bett liegt.“
„Das ist doch verrückt. Du weißt nur zu gut, daß er sie nicht zeigen kann. Und was hat das alles mit seiner Reise nach Paris zu tun?“
„Frag mich nicht zuviel, meine Liebe. Hier passieren so verrückte Dinge, daß mich gar nichts mehr wundern würde.“
„Also ich verstehe überhaupt nichts. Ich glaube, der Graf macht irgendeine Dummheit. Dieser Brief muß ihn auf etwas gebracht haben. Wir können nicht wissen, worum es geht, weil er uns nichts sagen wollte. Er ist nicht verrückt im üblichen Sinn, aber sein Geist scheint doch irgendwie gestört zu sein, Matt. Er hat gewisse Halluzinationen.“
„Warten wir, bis er zurückkommt. Dann werden wir alles erfahren. Und dann tun wir, was nötig ist. Vielleicht ist doch noch etwas zu retten.“
„Nein, Matt, nichts ist mehr zu retten. Wir werden mit ihm in den Abgrund gerissen. Es gibt eine Lösung, ich habe es ihm gesagt, aber er hört nicht auf mich. Aber er muß es doch noch tun, nur ist es dann vielleicht schon zu spät.“
„Welche Lösung, Jane?“
„Der Tod, Matt, ich habe es immer gesagt!“
„Du meinst, der Tod der beiden Gefangenen da unten?“
„Ja.“
„Du bist verrückt.“
„Überlege doch, Matt! Es gibt keinen anderen Ausweg, das mußt du doch einsehen. Sonst werden wir alle gehenkt.“
„Ja, natürlich, du hast recht, Jane, wie immer.“
„Ich verstehe nicht, was mit dir los ist, Matt. Seit einiger Zeit scheinst du zu resignieren, aber ich glaube, der Schein trügt. Eine Frau fühlt so etwas.“
„Du täuschst dich, Jane. Mir ist jetzt alles gleich.“
„Du lügst. Du willst mir nur vormachen …“
„Glaube, was du willst.“
„Warum schläfst du allein, Matt? Was hat die elektrische Leitung zu bedeuten, die du in dieses Zimmer gelegt hast?“
„Eine Leitung? Was für eine Leitung?“ fragte Matt scheinheilig. Dann runzelte er die Stirn. „Ach so, die habe ich für eine Nachttischlampe gelegt, die ich erst noch kaufen will. Ich lese abends gern noch ein bißchen.“
„Nun gut. Ich werde jetzt für die da unten das Frühstück machen, und du bringst es ihnen. Dann muß ich auf den Markt. Wir können jedenfalls nichts unternehmen, bevor der Graf zurückgekehrt ist. Was gäbe ich darum, wenn ich wüßte, was er in Paris will! Ob er überhaupt zurückkommt?“
„Übrigens, hat er die Handschellen mitgenommen?“
„Ich glaube, ja, ich kann sie nirgends mehr finden. Das ist auch so eine geheimnisvolle Geschichte. Was will er nur mit den Handschellen? Wir tappen wirklich völlig im dunkeln.“ Jane seufzte. „Und jetzt putzt du am besten die Fenster im Salon, Matt“, meinte sie.
Zum Fensterputz im Salon sollte es nie kommen. Matthew hatte andere Sorgen. Er war beunruhigt, daß der junge Lord seinen Hungerstreik nicht beendete. Fred wurde immer kränker, nicht nur körperlich, sondern offenbar auch geistig. Er gab keine Antwort mehr, wenn man ihn ansprach, und blieb Tag und
Weitere Kostenlose Bücher