034 - In den Krallen der Nebelhexe
Stadtwohnung.«
»Weiß man in
der Zwischenzeit etwas über Miß Calhoons Schicksal?«
»Nein. Nichts
Näheres…«
Rose Margonny
erhob sich, zog den kostbaren Mantel enger um ihre Schultern und lief dann
langsam zum Haus zurück. »Durch meinen Anwalt habe ich erfahren, daß ein
seltsames Testament bestehen soll.«
»Es kommt
ganz darauf an, was man unter seltsam versteht.«
»Nun, es ist
erst ungefähr vierzehn Tage her, seitdem Miß Calhoon auf ungeklärte Weise
verschwand. Und obwohl man nichts Genaues über ihr Schicksal weiß, wird das
Haus schon zum Verkauf angeboten. Vielleicht lebt sie noch, irrt irgendwo herum
und hat ihren Namen vergessen…. solche Ding gibt es doch.«
»Ja, solche
Dinge gibt es«, sinnierte Claire Simpson. »Aber es existiert auch ein
Testament, das uns alle bindet. Miß Calhoon ebenso wie ihren Anwalt und mich.
Wir verhalten uns so, wie Miß Calhoon es von uns erwartet. Wenn sie für drei
Tage aus irgendeinem Grund verschwunden sein sollte, so lautet der Passus
wörtlich, muß das Haus zum Verkauf angeboten und der Erlös einer wohltätigen
Vereinigung überwiesen werden. Auch diese Vereinigung ist angegeben.«
»Wer ist es?«
»Das weiß ich
nicht. Das ist Sache des Anwalts.«
Vor dem
Treppenaufgang zum Haus blieb die Schauspielerin stehen. »Sie werden verstehen,
daß ich mich auch deshalb absichern mußte und Erkundigungen eingezogen habe.
Ich möchte sicher gehen, das Haus nicht wieder zu verlieren, für den Fall, daß
Cindy Calhoon unverhofft wieder auftaucht.«
»Wenn das
geschähe, hätte sie Verständnis dafür. Aber, ich glaube das nicht.«
Rose Margonny
hob kaum merklich die Augenbrauen. »Claire, Sie haben einen Verdacht?«
Claire
Simspon antwortete nicht sofort.
»Ja, sozusagen…«,
antwortete sie dann zögernd. »Miß Calhoon war in der letzten Zeit anders.
Manchmal zeigte sie keine Freude mehr am Leben…«
»Sie trug
sich mit Selbstmordgedanken?«
»Nicht
direkt. Aber man fühlt, wenn jemand sich verändert.«
»Haben Sie
Ihre Beobachtungen der Polizei mitgeteilt?«
»Selbstverständlich.«
»Was meint
sie dazu?«
»Man hat das
ganze Gelände hier abgesucht, jeden Quadratmeter Boden. Es wurden sogar Taucher
eingesetzt. Vielleicht ertrank Cindy Calhoon, aber gefunden hat man sie nicht…«
Bei den letzten Worten wandte sie langsam ihren Kopf und blickte zur Mauer, die
den Friedhof umgab. »Ihr Wunsch war es gewesen, auch mal dort begraben zu sein,
hier an diesem stillen, friedlichen Ort.«
Einen Moment
herrschte Schweigen, das nur vom monotonen Rauschen der Brandung unterbrochen
wurde.
»Sie liebte
diesen Fleck so sehr, daß sie auch im Tod mit ihm verbunden sein wollte«, fügte
sie nach einer Weile hinzu.
Rose Margonny
folgte Claires Blick. »Der Friedhof. Sie haben recht, Claire. Als ich damals
hier war, nahm ich ihn schon hin, und seltsamerweise hat meine Tante genau das
gleiche gesagt wie Sie jetzt. Die Menschen wollten auch im Tod noch hier sein.
Der Erbauer dieses Hauses hat sich zuerst hier begraben lassen…«
»Tim O’Leary«, nickte Rose Margonny.
»Sie sind gut
unterrichtet.«
»Zum Haus
gehört ein eigener Friedhof. Also mußte ich ihn auch inspizieren. Tim O’Learys
Grabstätte macht den Anfang, und alle anderen Besitzer ließen sich später
ebenfalls hier beisetzen. Die letzte war Miß Jeany Calhoon. Einen Grabstein,
der den Namen Cindy Calhoon trägt, wird’s wohl nie hier geben.«
»Reden wir
von etwas Erfreulicherem, Claire«, fiel die Schauspielerin der Verwalterin ins
Wort. »Ergötzen wir uns an dem Schönen, das dieses Haus bietet. Jetzt will ich
Sie auch gar nicht länger aufhalten.«
»Das tun Sie
nicht, Rose.«
»Nun, ich
kann mir denken, daß noch einige Dinge zu erledigen sind, wenn wir heute die
Übergabe hinter uns bringen wollen. Alle persönlichen Gegenstände, wie Kleider
zum Beispiel, Wäsche, Bücher und Bilder, müssen Sie bestimmt noch aus dem Haus
bringen.«
»Die
Hauptsache habe ich schon hinter mir. Es war weniger, als Sie denken, Rose.
Kleider, Wäsche und ein paar persönliche Dinge. Ich habe sie an die
Kirchengemeinde weitergegeben. Alles andere gehört zum Inventar, Bücher und
Bilder, sogar die Möbel und das Geschirr. Mit dem Haus soll die ganze
Atmosphäre weitergeben werden. Wobei der Käufer sich allerdings nicht
verpflichten muß, später auch alles so zu lassen. Er kann jederzeit Möbel
abgeben und neue erwerben… Das liegt in der Entscheidung jedes einzelnen. Aber
seltsamerweise hat bisher
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