0340 - In der Häuserschlucht des Grauens
zu verwandeln, war nicht einmal schlecht, Miß Kronen, nur hätten Sie vor der Pistole ein wenig mehr Angst zeigen sollen, dann wären wir darauf bestimmt gründlicher hereingefallen. Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen? Sie oder Boulanger?«
Sie antwortete darauf nur mit einem haßerfüllten Blick.
»Na, dann eben nicht, Miß Kronen«, fuhr ich fort. »Ich werde mir trotzdem die Mühe machen, Ihnen zu erzählen, wie sich das alles abspielte.«
Wieder blieb die Antwort aus. Ich steckte mir die Zigarette an, die mir Phil hinhielt und blickte dem Rauch nach, der zur Decke stieg.
»Es fing damit an, daß Ihr Chef, der ehrenwerte Mijnheer Kuiper aus Amsterdam, eine Ladung Diamanten zu verschachern hatte. Die Ware stammte wahrscheinlich aus einem Diebstahl in Europa, konnte dort also nicht veräußert werden. Kuiper ließ also seine amerikanischen Verbindungen spielen, und es dauerte auch nicht lange, bis der ebenso ehrenwerte Mr. Joe Maggio anbiß. Um sich zu vergewissern, daß er bei diesem Geschäft nicht übers Ohr gehauen wurde, erschien Joe Maggio selbst in Amsterdam. Er holte die Ware ab, zahlte die Hälfte des Preises an und versprach, Ihnen die andere Hälfte zu übergeben, wenn er ungeschoren mit den Diamanten in New York angekommen war. Soweit stimmte die Sache doch, nicht wahr?«
Sonja Kronen nickte zustimmend, bevor sie ihre Fassung wiederfand und den Mund mürrisch verzog.
»Nun hatte Kuiper aber einen Fehler gemacht«, fuhr ich fort. »Er vertraute Ihnen nämlich und dachte, daß Sie das Geld schön brav in Amsterdam abliefern würden. Sie hatten jedoch andere Pläne. Sie hatten nämlich erfahren, daß auch Dutch Winkel in New York an dem Schmuck interessiert war. Deshalb machten Sie mit Raoul Boulanger einen Plan, wie Sie Kuiper um die Hälfte des Geldes und Joe Maggio um die Steine erleichtern könnten. Wie Sie mit Raoul Boulanger zusammengekommen sind, weiß ich nicht, und es interessiert mich auch nicht, weil es mit den folgenden Zusammenhängen nichts zu tun hat.«
Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, besann sich aber eines Besseren und schwieg weiter.
»Sie selbst hatten gute Gründe, Joe Maggio nach New York zurückzubegleiten. Diese Gelegenheit nutzten Sie, um zu erfahren, wie sich Raoul Boulanger der Partie zugesellen konnte, ohne daß es Maggio auf fiel. Raoul Boulanger erschien im Flugzeug und stahl die Steine. Er hätte ja in dieser Beziehung genügend Erfahrung. Damit war der erste Teil Ihrer Aufgabe erfüllt. Sie hatten die Steine. Maggio konnte nicht zur Polizei rennen wegen des Diebstahls und Kuiper nicht wegen der ausbleibenden Restzahlung. Sie zogen zu Sheila Masters, weil Sie glaubten, sie sei die Freundin Maggios und von ihr könnten Sie daher erfahren, was Maggio im Sinn hatte. Und Ihr ganzer Plan scheiterte nur an der Nervosität Boulangers. Er hatte nämlich nicht die eisernen Nerven, die für diesen Coup erforderlich waren. Maggio erriet mit dem Instinkt eines Gangsters, daß auch Boulanger unsaubere Geschäfte betrieb. Er ließ ihm ein rotes Efeublatt ins Zimmer flattern, ähnlich dem Amulett, das er Ihnen zu Beginn Ihrer geschäftlichen Partnerschaft gab, Boulanger verlor die Nerven, er wollte Sie verraten und sich mit der Zollbelohnung begnügen. Deshalb hatte ihn Chet Fenner auszuschalten.«
»Der niederträchtige Halunke«, sagte sie, und ich wußte nicht, ob sie damit Fenner oder Boulanger meinte.
»Zweifellos waren Sie enttäuscht, Miß Kronen. Man sieht ja schließlich nur ungern ein Vermögen vor keinen Augen verschwinden. Das erfuhren Sie aber erst, als Sie im ›Royal‹ auftauchten, um sich mit Raoul Boulanger und den Diamanten davonzumachen. Sie ließen sich von Ihrer Enttäuschung wenig merken, aber deswegen ließen Sie noch lange nicht locker. Als wir bei Sheila Masters auftauchten, wurde Ihnen rasch klar, daß wir das Apartment beobachteten. Wie ist Ihnen das gelungen?«
Sie lächelte überlegen.
»Ich sah Mr. Decker unten im Auto sitzen, und als Sie eine ganze Weile lang nicht erschienen, dachte ich mir, daß Sie beim Hausmeister waren. Ich paßte also ein wenig auf und merkte, daß Ihr Freund in die Nebenwohnung einzog.«
Phil zog die Augenbrauen hoch.
»Dann wurde Ihnen wahrscheinlich auch ziemlich rasch klar, daß Sheila Masters nicht ganz so ungefährlich war, wie Sie anfänglich geglaubt hatten. Sie hörten auch den Anruf, mit dem sie mich zu einem Treffen bestellte, und Sie befürchteten, daß dabei die ganze Sache auffliegen könnte.
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