0340 - Sinfonie des Schreckens
paar Minuten später waren Polizeifahrzeuge da. Das Gelände wurde abgeriegelt. Da aber waren Zamorra und Nicole längst verschwunden. Sie hatten es vorgezogen, das Gelände sofort zu verlassen. Dennoch waren sie nur knapp an einer Entdeckung vorbeigekommen. Sie spielten harmlose Spaziergänger; ein Pärchen, das händchenhaltend die Straße entlangschlenderte und die laue Abendluft und den Sternenhimmel genoß; einschließlich demonstrativer Kußeinlage direkt unter den Augen aus den Einsatzfahrzeugen springender Polizisten.
Ein Krankenwagen rast mit zwanzigsekündiger Verspätung heran und jagte direkt bis zur Marmortreppe. Aber er fuhr bald darauf leer wieder zurück. Ein Leichenwagen kam. Zamorra und Nicole beobachteten es aus der Ferne.
Später brachte ein Taxi sie zum Hotel zurück, wo Zamorra abermals geschäftige Aktivität entwickelte, bis er endlich beschloß, die letzten Nachtstunden zum Schlafen zu nutzen.
In dieser Nacht wurden beide Einzelzimmer genutzt. Sowohl Nicole als auch Zamorra waren zu erschöpft, die Belastungsgrenze der Hotelbetten auszuprobieren.
***
Der, den seine Werkzeuge den »Oberen« nannten, war verunsichert. Er glaubte erkannt zu haben, wer ihm als Gegner gegenüberstand.
Das mußte der Meister des Übersinnlichen sein, Professor Zamorra, der alte Erzfeind seiner Art. Jener, der schon zweimal einen aus der Rasse des »Oberen« getötet hatte. Jener, der über ein schier unerschöpfliches Überlebenspotential zu verfügen schien. Denn der Obere hatte die Kraft gespürt, die jäh in diesem Gegner erwachte. Die Kraft einer entarteten Sonne… Das mußte das verfluchte Amulett sein, Merlins Stern. Und es war nur einer bekannt, der es trug.
Ausgerechnet Zamorra! Damit hatte der »Obere« nun überhaupt nicht gerechnet. Er mußte seine Strategie umstellen, sich auf diesen Gegner einrichten. Ein Gegner, der ihn nun bereits angeschlagen hatte. Nicht stark, aber immerhin. Der »Obere« hatte zu lange gezögert, weil er nicht wußte, mit wem er es zu tun hatte. Das war sein Fehler gewesen. Er würde ihn kein zweites Mal begehen.
Vorsicht war angesagt, äußerste Vorsicht. Fatal war nur, daß sich der Plan, den er entwickelt hatte, nicht beschleunigen ließ.
***
Nicole war es, die in Zamorras Zimmer kam und ihn weckte. Telefonisch hatte sie schon das Frühstück dorthin beordert - Frühstück für zwei.
»Wie spät, zum Teufel, ist es denn überhaupt?« murmelte Zamorra.
»Neun.«
»Und da wagst du es, mich zu wecken? Das gehört bestraft!« Er zog sie zu sich aufs Bett und küßte sie. Nicole machte sich wieder von ihm frei.
»Langsam, wilder Mann«, mahnte sie. »Gleich kommt der Zimmerkellner mit dem Frühstück.«
Da klopfte es schon. Nicole nahm das Tablett an der Tür in Empfang und hoffte, daß der Mann sich nicht daran erinnerte, daß sie nicht in diesem Zimmer logierte.
»Was ist mit unserem Freund Samara?« fragte Zamorra. »Schmort er noch?«
»Der ist schon weg«, erwiderte Nicole. Zamorra zeigte sich verblüfft. »Aber ich hab’ das doch heute nacht nicht geträumt, oder? Ich habe doch noch ein paar Bannzeichen vor seiner Zimmertür angebracht… ?«
Nicole schenkte Kaffee ein.
»Hast du. Normalerweise hätten die ihn drinnen festhalten müssen, wenn er über stärkere magische Fähigkeiten verfügte. Aber er hat die Tür öffnen können und ist außer Haus. Dasselbe gilt für Hawkens.«
Zamorra seufzte. Er hatte in der Nacht sowohl vor Samaras Zimmertür als auch vor der des Pianisten Bannzeichen angebracht und zur Kontrolle Tesafilmstreifen zwischen Türschloß und Rahmen über das Holz gezogen, um feststellen zu können, ob die Tür geöffnet wurde oder nicht. Nicole hatte kontrolliert und festgestellt, daß die Streifen einseitig losgerissen worden waren. Also hatten die beiden Sonnenbrillenträger ihre Zimmer verlassen können.
Das hieß, daß sie entweder auf die Dämonenbanner nicht ansprachen -oder jetzt ziemlich krank waren. Zamorra hoffte letzteres. Die Bannzeichen an der Music Hall würden ihnen in diesem Fall den Rest geben.
Es war im Grunde reine Provokation, die nicht viel mehr bewirken würde, als die beiden unsicher zu machen.
Wieweit der Fremde aus der Nacht zu den Musikern zählte, wagte Zamorra noch nicht abzuschätzen. Alles an seinem Verhalten deutete darauf hin, daß er ein Killer war, den möglicherweise Samara auf Zamorra angesetzt hatte - oder Hawkens, falls der der Drahtzieher war. Ein magischer Killer, der zu der Truppe gehörte.
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