0341 - Die Nadel der Cleopatra
spiralförmige Ende auf Sukos Körper zeigte und nur eine Handbreit von dem Leblosen entfernt war.
»Wag es nicht!« schrie sie mich an. »Wag es nicht, der Königin Cleopatra das zu nehmen, was ihr gehört…«
»Du bist Cleopatra?« lachte ich.
»Nein, nicht ich. Ich war nicht würdig genug. Ich bin nur ihre Dienerin gewesen. Sie hat mir den Stab gegeben, durch den ich die Macht besitze. Wenn ich deinen Freund damit berühre, ist er verloren. Ich lasse mich nicht aufhalten. Usanga und ich werden das Erbe der Königin aller Könige antreten. Deshalb hat sie uns das ewige Leben geschenkt, und uns in den Obelisken einmauern lassen.«
Ich blieb ganz ruhig, obwohl mich diese Zusammenhänge faszinierten. »Ewiges Leben?« höhnte ich. »Schau dir deine Gehilfinnen an. Da siehst du, was das Ewige Leben wert ist.«
»Ich aber bin anders!« hielt sie mir entgegen, »denn ich habe den Stab, der mir die Macht über euch Menschen gibt. Durch ein Teil von ihm wurde dieser junge Mann getötet, der es wagte, als Unwürdiger die heiligen Bannsprüche zu lesen. Und ich besitze noch eine Scherbe aus dem Stab. Nun hatte ich sie abgegeben. Jemand wird für mich töten. Ein Mädchen namens Shao. Sie wird…«
In diesem Augenblick brüllte Suko auf, als er den Namen seiner Freundin vernahm.
Die Dienerin der Cleopatra wurde dadurch aus dem Konzept gebracht. Für einen mir schrecklich lang vorkommenden Moment sah es so aus, als wollte sie den Stab in Sukos Gesicht rammen, und ich reagierte reflexhaft.
Ich schleuderte mein Kreuz.
Sogar das Klatschen vernahm ich, als es dicht unter dem pechschwarzen Haaransatz in das Gesicht der Frau stieß.
Sie taumelte zurück, weg von Suko und bekam die Macht des Ansehenden Auges voll zu spüren.
Plötzlich wurde aus dem Stab, auf den sie sich so verlassen hatte, eine gefährliche Waffe.
Auch Suko sah den Feuerstrahl, in den er sich verwandelte. Er schoß allerdings nicht hoch in den bleigrauen Himmel, sondern fuhr entgegengesetzt in den Arm der Frau.
Sie brüllte verzweifelt, schlenkerte ihn, das Feuer war nicht mehr zu stoppen.
Mit dem Rücken zuerst warf sie sich gegen die rechte der beiden Sphinxfiguren, hämmerte mit ihren Ellbogen dagegen, bis sich der eine löste und der Arm in einem Regen von Asche der Erde entgegenfiel.
Gleichzeitig brach sie zusammen.
Etwas fauchte herbei.
Ob es der Wind war oder ein von den fernen Göttern geschickter Hauch, wir konnten es beide nicht sagen. Er fachte die Flamme zu einem blaugrünen Feuer an, das sich gedankenschnell über die Frau ausbreitete und sie vernichtete.
Sie wurde zu Asche…
Und auch der Stab.
Ich half Suko auf die Füße. Mein Partner schwankte. In seinem Gesicht stand das Entsetzen. Mit beiden Händen krallte er sich an mir fest. »Verdammt, John, was ist mit Shao? Sie hat von ihr gesprochen. Shao soll jemand töten! Weißt du das?«
»Ja!«
»Was können wir tun?« schrie er. Sein Gesicht war verzerrt. In den Augen loderte die Angst, Schweiß bedeckte die Haut.
»Nichts, Suko, gar nichts!« Ich wandte mich ab. »Da ist der Gegner. Du mußt einfach auf Shao vertrauen.«
»O verdammt!« Suko ballte die Hände und schaute ebenfalls zu diesem unheimlichen Koloß hin.
Panikartig hatten die Menschen die Flucht ergriffen. Erst jetzt hörten wir ihre Schreie, denn Usanga war durch nichts aufzuhalten.
Er hatte bereits die eine Straßenseite überquert und begab sich daran, auch auf der anderen Fahrbahn die Wagen zu zertreten.
»Den hält nichts auf!« flüsterte Suko.
»Wir aber.« Ich deutete nach links. Von dort war das knatternde, uns so bekannte Geräusch erklungen.
Der Hubschrauber kam.
Seine Positionslichter leuchteten. Wie ein imitiertes Glühwürmchen aus Metall schwebte er über den Kronen der Bäume, flog an der Nadel vorbei und setzte zur Landung an.
Ich rannte schon auf ihn zu und war sicher, daß mir mein Partner folgen würde…
***
WARUM?
Dieses Fragewort brachte Patty Lester stockend über ihre Lippen, und es stand auch gleichzeitig in ihren Augen zu lesen.
WARUM?
Shao hatte verstanden. »Ich muß dich töten!« knirschte sie. »Man hat es mir befohlen. Esmeth erwartet es von mir. Ich darf sie nicht enttäuschen!«
»Esmeth?« fragte Patty so, daß Shao mißtrauisch wurde.
»Ja, du kennst sie?«
»Sicher. Sie war die Vertraute der Cleopatra. Aber sie ist doch längst verstorben…«
Shaos Augen nahmen einen leichten Glanz an, als sie sagte:
»Nein, sie lebt. Sie lebt wirklich, du wirst es kaum
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