0341 - Die Nadel der Cleopatra
schrak sie zusammen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer um diese Zeit zu ihr wollte, Freunde hatte sie nämlich nicht eingeladen.
Die Polizei vielleicht?
Das war möglich, deshalb ging Patty zur Tür, um zu öffnen. Normalerweise hätte sie keinen hereingelassen. Vorsichtshalber schaute sie noch durch den Spion.
Es war eine Besucherin!
Patty überlegte noch, als die Frau zum zweitenmal schellte. Irgendwo hatte sie diese Person schon gesehen. Sosehr sie sich auch anstrengte, sie kam zu keinem Ergebnis.
Dafür öffnete sie.
Vor der Tür stand eine Chinesin und lächelte sie an. »Sie sind Miß Lester?« fragte die Besucherin.
»Ja, die bin ich. Wieso?«
»Darf ich reinkommen. Mein Name ist Shao. Sie haben vorhin beim Yard angerufen…«
»Sind Sie Polizistin?«
»Sagen wir mal, ich bin abgestellt worden, um mich um Ihre Sicherheit zu kümmern«, sagte Shao. »Ich war dabei, als Sie mit Oberinspektor Sinclair sprachen. Wir unterhielten uns dann über Sie. Da der Oberinspektor dringend weg mußte, hat er mich gebeten, ihn hier zu vertreten.«
Shao hatte es geschickt angestellt. Als Patty den Namen Sinclair hörte, schwanden ihre Bedenken, und sie ließ die Besucherin in die Wohnung. »Bitte, treten Sie näher.«
»Danke sehr.«
Shao schaute sich um. »Nett haben Sie es hier, wirklich. Mal anders eingerichtet, nicht?«
»Finden Sie?«
»Sicher.« Shao nickte. »Auch die Bilder. Fantastisch.« Mit diesen Worten hatte sie schon das Vertrauen der anderen Person errungen.
»Ich sammle ein wenig.«
»Könnte ich mir nicht leisten.«
Patty lachte seit langem zum ersten mal wieder. »Ich habe einen großzügigen Vater.«
»Das ist gut.«
Im Wohnraum ließ sich Shao in einen der mit Kies gefüllten »Ledersäcke« fallen. Sie wunderte sich darüber, wie bequem man darin saß und nickte anerkennend.
»Darf ich Ihnen einen Drink anbieten?«
»Ja, gerne, aber keinen harten.«
»Martini?«
Shao lächelte knapp. »Okay.«
Patty Lester schritt zur Bar. Verfolgt wurde sie von Shaos mißtrauischen Blicken, denn zum erstenmal meldete sich die fremde Stimme bei ihr.
»Du wirst es tun!«
»Ja«, erwiderte Shao.
Patty drehte sich um. »Haben Sie etwas gesagt, Shao?«
»Nur laut gedacht.«
»Ach so.« Patty kam zurück. Sie hielt zwei Gläser in der Hand, denn sie hatte sich auch noch einen Drink gemixt. Wieder schaukelte eine Olive auf der Oberfläche.
Shao nahm das Glas entgegen. Dabei stellte sie fest, daß ihre Finger zitterten. Sie ärgerte sich darüber, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Cheerio«, sagte sie lächelnd.
Die beiden Frauen tranken sich zu. Nach dem ersten Schluck ließ sich auch Patty in ein Polster fallen. Über den Glasrand schaute sie Shao an. »Je länger ich Sie anschaue, um so mehr komme ich zu der Überzeugung, Sie schon irgendwo gesehen zu haben. Kann das stimmen?«
»Sie haben recht.«
Pattys Blick wurde erstaunt. »Und wo?« Sie drehte sich und legte ihre Beine schräg gegeneinander.
»In der Bierkneipe. Kurz vor dem Mord und auch nachher. Ich saß praktisch nur eine Schrittlänge von Ihnen entfernt inmitten der lustigen Clique, wenn Sie sich erinnern.«
Patty schlug sich gegen die Stirn. »Natürlich, jetzt weiß ich es wieder, Sie haben sich auch den Toten angeschaut.«
»Stimmt.«
Das Glas der Patty Lester sank zusammen mit der Hand nach unten. »Dann… dann sind Sie gar nicht von der Polizei …?«
Shao lachte. »Doch, Miß Lester. Es war wirklich reiner Zufall, daß ich mich in dem Lokal aufhielt. Auch Polizisten müssen sich am Feierabend mal amüsieren.«
Patty schüttelte den Kopf. »Wenn ich das einem erzähle, das glaubt mir keiner. Dann war die Polizei bereits an meinem Tisch, und ich habe solange gegrübelt. Sagenhaft, wirklich. Das Leben geht manchmal die seltsamsten Wege.«
»Da sagen Sie etwas.«
»Und weshalb sind Sie jetzt zu mir gekommen? Wollen Sie mich etwa beschützen?«
»Das ist der Grund, Miß Lester.«
»Sagen Sie Patty.«
»Okay, Patty.« Shao stellte ihr Glas ab. »Es gibt Leute, die sich Ihretwegen Sorgen machen. Sie haben den Mörder gesehen, sind eine Zeugin. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
Patty senkte den Kopf. Sie starrte zu Boden und schüttelte sich.
»Es war schrecklich«, flüsterte sie. Sie hob die Schultern. »Wenn ich jetzt daran denke, könnte ich sofort weinen. Es ging alles so schnell. Da war plötzlich die Hand mit der seltsamen Waffe, die auf einmal im Nacken meines Bekannten steckte. Furchtbar.«
»Ja, ich
Weitere Kostenlose Bücher