0342 - Schnee und schwarze Diamanten
Westentasche.
Ich tastete mich die Treppe hinauf. Meine Hand fand den Lichtschalter. Im Flur flammten die Neonröhren auf. Die Türen zu den einzelnen Zimmern waren geschlossen, bis auf eine, die leicht angelehnt war. Ich warf einen Blick auf die lange Treppe. Sie war übersät mit den Scherben einer Buddhafigur. Aber von meiner 38 er keine Spur.
Ich wandte mich der angelehnten Tür zu und stieß sie vorsichtig mit der Hand auf. Der .Geruch von verbranntem Benzin strömte mir entgegen. Ich knipste das Licht an. Der nächtliche Besucher besaß wenig Ordnungsliebe. Der Inhalt mehrerer Fächer und Schubladen war über den Boden verstreut. Offenbar hatte er in der Eile etwas finden wollen, war jedoch von mir dabei gestört worden.
Meine These schien sich zu bewahrheiten. Denn der Schreibtisch war nur zur Hälfte geknackt worden. Die linke Seite war unberührt. Als ich mich bückte, um genauer hinzusehen, vernahm ich ein Geräusch. Jemand rumorte im Treppenhaus.
Ich ging hinter dem Schreibtisch in Deckung. Zwanzig Sekunden später wusste ich, wer der Besucher war - Phil. Erleichtert atmete er auf, als er mich sah. Er unterzog meinen linken Arm einer genaueren Untersuchung.
»Da hast du ja unverschämtes Glück gehabt«, sagte Phil, »denn ich glaube nicht, dass dein Schädel diesem Zehn-Kilo-Buddha widerstanden hätte, Jerry.«
Schamhaft verschwieg ich den Tritt gegen meinen Brustkorb, obgleich die Rippen beim Luftholen noch höllisch schmerzten.
Phil entdeckte ein Telefon. Es war unbeschädigt. Der Einbrecher musste sich sehr sicher gefühlt haben, sonst hätte er wenigstens die Telefonschnur aus der Wand gerissen, ehe er mit der Arbeit begann.
Mein Freund gab der Zentrale die Meldung von dem grauen Buick durch. Ich kombinierte sofort: Das schmächtige Kerlchen, das in den Wagen gestiegen war, musste mein Gegner gewesen sein, ein ausgezeichneter Judosportler. Denn nur durchtrainierte Sporttypen verstehen es, ihre Füße in der Form als Waffe zu benutzen.
Phil verlangte gleichzeitig die Spurensicherung, die in der Villa die Fingerabdrücke sichern sollten. Wir wollten uns hier nicht länger als nötig aufhalten. Auf der Treppe nahm ich zwei große Scherben der Buddhafigur an mich, den Rest ließen wir liegen wegen der Prints. Als drei Beamte vom zuständigen Revier erschienen, schilderten wir kurz den Sachverhalt. Dann gingen wir zu meinem Wagen zurück.
»Wenn die Cops nicht meine 38er Special wiederfinden, muss ich mir morgen früh auf der Waffenkammer eine neue holen«, sagte ich beiläufig, als wir im Jaguar saßen.
Phil vergaß vor Staunen, den Mund zu schließen: »Wie, du hast deine Waffe verloren?«
»Sie muss mir aus der Hand gerutscht sein, als ich mich auf dem Boden ausruhte. Ich habe heute eben meinen schwarzen Tag.«
Wir fuhren zum Districtgebäude zurück. Phil hatte noch Appetit auf eine Tasse Kaffee. Da die Kantine aber schon geschlossen hatte, mussten wir zur Selbstbedienung greifen.
Keine fünf Minuten später klingelte in meinem Office das Telefon. Ein Cop war an der Leitung. Er hatte meine Dienstpistole gefunden, auf dem Rasen vor Jeromins Haus.
***
Am nächsten Morgen wollte ich mich einmal ausgiebig mit Jeromin unterhalten. Ich hielt diese Sache für einigermaßen dringlich und sprang deshalb schon um halb sieben aus den Federn. Selbst das Frühstück ersparte ich mir, eine unbestimmte Unruhe trieb mich geradezu aus dem Haus.
Außerdem wollte ich mich bei den Cops bedanken, die meine Waffe vor dem Verrosten bewahrt hatten. Inzwischen steckte die 38er wieder in meinem Halfter.
Das Wetter hatte sich gebessert. Als ich in meinen Jaguar saß, fand ich meine ruhige Zuversicht wieder. Ich war sicher, dass wir Dick Lemmond in wenigen Tagen wieder hinter Schloss und Riegel setzen konnten.
Ich preschte mit meinem Jaguar über den Riverside Drive. Als ich in die Villenstraße einbog, sah ich eine Gruppe von Passanten vor Jeromins Villa stehen. Sie bildeten einen Kreis und starrten zu Boden. Ich konnte den Gegenstand ihrer Neugierde erst entdecken, als ich den Jaguar am Bordstein anhielt und ausstieg. Ein Mann lag auf dem Boden. Ich drängte die gaffenden Zeitgenossen zur Seite und kniete neben dem Leblosen nieder.
»Ich habe genau gesehen, wie Mister Jeromin aus dem Haus kam«, sagte eine Frau über mir. »Sonst nimmt er immer den Nebeneingang. Heute ist er durch die Vordertür gegangen. Er torkelte wie ein Betrunkener.«
Jeromin war vollständig angezogen, selbst den Hut hatte er auf dem
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