0342 - Schnee und schwarze Diamanten
Kopf. Das Filzgebilde war beim Fall zur Seite gerollt. Ich presste mein Ohr gegen Jeromins Brust. Das Herz arbeitete nicht mehr.
In panischer Angst musste der Kunsthändler das Haus verlassen haben. Und zwar durch die Vordertür, die bedeutend näher an der Straße lag als der Seiteneingang. Mit torkelnden Schritten hatte er die Straße erreicht, und dort war er zusammengebrochen, ehe er jemanden um Hilfe bitten konnte.
Ich richtete mich auf. Die Haustür stand sperrangelweit offen. Der Streifenwagen der Citizen Police kam mit laut heulender Sirene näher, irgendein Passant musste ihn alarmiert haben. Die Cops hielten hinter meinem Jaguar und sprangen heraus. Ich stellte mich vor und bat sie, Jeromin ins Haus zu tragen.
»Der Mann ist ohnmächtig. Er kann nicht hier liegen bleiben bis der Krankenwagen kommt«, sagte ich absichtlich laut.
Vorsichtig schafften sie den Kunsthändler ins Haus. Ich schloss die Tür und bedeutete den Cops, Jeromin auf den Boden zu legen. Was ich vorhin im Freien nur flüchtig wahrgenommen hatte, wurde im geschlossenen Raum bestätigt: Bittermandelgeruch, das bedeutete Zyankali!
Der Kunsthändler hatte entweder Selbstmord verübt, oder er war ermordet worden. Die zweite Möglichkeit klang mir wahrscheinlicher.
»Alarmieren Sie bitte die Mordkommission«, sagte ich zum Sergeanten und ging die Treppen hinauf. Unwillkürlich drehte ich den Kopf nach oben, aber diesmal schwebte keine Buddhastatue über dem Treppengeländer.
Im Arbeitszimmer des Kunsthändlers herrschte eine vorbildliche Ordnung. Ich nahm jeden Raum des Hauses mit der Sorgfalt eines Museumsbesuchers unter die Lupe. In erster Linie interessierte mich die Küche. Hier dürfte Jeromin sein Frühstück eingenommen haben, denn welcher Junggeselle deckt sich im Wohnzimmer am frühen Morgen extra den Tisch?
Die Kochnische war modern ausgestattet. Auf einem kleinen Tisch stand eine Frühstücksschale, offenbar hatte Jeromin den Tag mit Porridge begonnen.
Ich betrachtete die Schale. Meine Vermutung bestätigte sich. Jemand hatte die Schale bereits gespült. Dieser Jemand besaß ein lebhaftes Interesse daran; alle Spuren zu beseitigen. Hatte Jeromin das selbst gemacht, oder war eine zweite Person im Haus gewesen?
In den übrigen Zimmern entdeckte ich nichts Besonderes.
Als ich den Heizungskeller betrat, erkannte ich, auf welch einfache Art und Weise die Ordnung in Jeromins Arbeitszimmer entstanden war. Jemand hatte die Papiere vom Fußboden in einen Korb gepackt und in den Keller getragen. Der größte Teil der Akten war bereits in die Heizung gewandert, die restlichen Schnipsel suchte ich auf und steckte sie in einen großen Umschlag, den ich ebenfalls auf dem Boden des Korbes entdeckte.
Inzwischen war die Mordkommission eingetroffen. Ich berichtete den Kollegen von meinen Feststellungen und verabschiedete mich. Als ich in meinen Jaguar stieg, rollte auch der Krankenwagen heran.
***
Phil sah demonstrativ auf die Uhr, als ich unser Office betrat. Es war neun Uhr fünfzehn.
»Gut geschlafen, Jerry?«, spöttelte er.
»Zumindest bis halb sieben. Und gefrühst'ückt habe ich auch noch nicht«, entgegnete ich.
»Sieh an, ein G-man, der den Tag mit Überstunden beginnt. Hast du etwa Dick Lemmond schon geschnappt?«
»Noch nicht.«
»Ich habe inzwischen bei der Versicherung angerufen. Jeromin hat seinen Anspruch noch nicht geltend gemacht.«
»Das war ja auch kaum möglich, denn ich nehme nicht an, dass er schon gegen vier Uhr eine Zeitung gelesen hat, und woher sollte er sonst wissen, dass sein Buddha im Sumpf gelandet ist.«
»Ich warte darauf, dass sich Jeromin verraten würde«, sagte Phil.
»Dazu wird er kaum noch Gelegenheit haben.«
»Hast du ihn festgenommen?«
»Nein, Jeromin ist tot.«
»Ermordet? Selbstmord?«
»Blausäure, dabei ist beides möglich.«
»Was heißt möglich? Du warst doch schon am Tatort, Jerry.«
Ich berichtete ausführlich und packte ihm den Umschlag mit den Aktenresten aus Jeromins Keller auf den Tisch. Wenn er Langeweile hatte, sollte er sich im Puzzle-Spiel üben.
»Ich nehme jetzt Jeromins Laden unter die Lupe, Phil. Bleib du bitte solange hier, bis der Doc anruft, um uns mitzuteilen, mit welcher Menge Blausäure Jeromin es zu tun hatte. Gib mir bitte sofort Nachricht. Ich halte mich solange in der ostasiatischen Kunsthandlung auf. Im Übrigen trete ich dir Morrison ab«, sagte ich mit großzügiger Geste.
»Sehr gönnerhaft, Jerry. Ich werde diese Ehre zu schätzen wissen.«
Ich
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