0342 - Schnee und schwarze Diamanten
und nahm die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinder. Sie war schärfer als das beste Rasiermesser.
»Vorsicht - sehr gefährlich«, sagte sie leise.
»Trotzdem möchte ich es kaufen, sagen Sie mir bitte den Preis.«
Mrs. Halster sah in der Liste nach. Ihre schlanken Finger griffen wieder nach dem Stilett. Sie steckte es in eine Lederscheide und wickelte es in Seidenpapier.
Meine Gedanken wanderten indessen zu Phil. Er wollte mich anrufen, und tatsächlich, das Telefon klingelte. Ich lächelte und nahm den Hörer ab und sagte: »Das ist sicher für mich.«
Phil meldete sich und teile mir kurz die Menge mit, die die ärztliche Untersuchung ergeben hatte. Es war genug Blausäure gewesen, um einen Menschen mit Sicherheit umzubringen, aber der Tod sollte offenbar nicht auf der Stelle eintreten. Ich bedankte mich bei Phil, hängte ein und wandte mich der jungen Dame wieder zu.
»Ja, wie ich schon sagte, Mister Jeromin hat sich mit Blausäure das Leben genommen. Führen Sie das Geschäft weiter, bis sich Angehörige einschalten, oder hat Mister Jeromin keine Angehörigen?«
»Über persönliche Dinge meine Chefs bin ich leider nicht informiert, ich betreue seine Sammlung nur künstlerisch.«
»Wenn ich also eine Auskunft brauche, darf ich mich getrost an Sie wenden?«
»Das dürfen Sie, Mister Cotton.«
Ich zahlte, steckte das Stilett in eine Jackentasche und verließ das Geschäft.
***
Dick Lemmond war also nicht nur dem eingeklemmten Inspektor entwischt, sondern auch uns durch die Lappen gegangen. Donald Sumper war ermordet worden, zwar nicht von Lern, aber doch bestimmt von einem aus seiner Gang. Der Rauschgiftring schien auch ohne den alten Boss zu funktionieren. Jemand hatte seine Chance wahrgenommen und sich an die Spitze gesetzt, und dieser Unbekannte regierte mit brutaler Härte.
Der geheimnisvolle Anrufer, der vor dem Attentat gewarnt hatte, war Donald Sumper gewesen. Den Lohn hatte er in Form einer kleinen Kugel erhalten.
Die Gang hatte das Flugzeug abstürzen lassen, sie müsste also genaue Informationen über den Schmuck besitzen. Nebenbei hatten die Gangster den zweiten Stahlbehälter, in dem die Buddhafigur reiste, auch noch mitgehen lassen.
Dieser Überfall auf die abgestürzte Maschine war offensichtlich gut vorbereitet worden.
Wir standen vor einigen Rätseln. Der Erpresserbrief - so viel ergab die Untersuchung unserer technischen Abteilung - war mit einer einfachen Schreibmaschine heruntergetippt worden. Er ergab bis auf die äußerst höfliche Form keine weiteren Anhaltspunkte.
Mister Jeromin, der den Leuten zu unbequem zu werden schien, war ebenfalls aus dem Weg geräumt worden. Wir waren fest davon überzeugt, dass auch zwischen diesem Verbrechen und dem Fall Lemmond ein Zusammenhang bestehen musste.
***
Phil kannte fast sämtliche Spelunken und feinen Salons, in denen wertvolle Brillanten, in schmutzige Taschentücher eingewickelt, in Sekundenschnelle den Besitzer wechselten. Oft fand man die neuen Besitzer einige Stunden später tot im East River, allerdings ohne den Schmuck.
Aber nur ein Mann in New York war in der Lage, Schmuck im Wert von einer halben Million auf einen Schlag abzunehmen: Diamond-Harthy. Er betrieb ein schwunghaftes Bierrestaurant in Brooklyn an der Navy Street in der Nähe des Fort Green Parks.
Diamond-Harthy stand schon lange im schwarzen Buch - aber bisher war es noch nicht gelungen, ihm Hehlerei nachzuweisen.
Phil bestellte sich ein Taxi und ließ sich zur Navy Street bringen.
Als er die Tür öffnete, schlug ihm der Geruch von Sauerkraut mit Eisbein entgegen.
Phil ließ sich auf einen Stuhl sinken. Als ein hoch aufgeschossener Kellner nach seinen Wünschen fragte, bestellte Phil: »Zwei Diamantcolliers.«
»Sie scherzen, mein Herr. Sie befinden sich hier in einem Speiserestaurant«, entgegnete der Kellner pflichtschuldigst.
»Nein, Sie haben richtig gehört. Bestellen Sie Mister Harthy nur, dass ich zwei Diamantcolliers zu kaufen wünsche.«
Der Kellner entfernte sich im Rückwärtsgang vom Tisch. Erst als er auf diese Weise zehn Schritt gewonnen hatte, zeigte er Phil den Rücken und trollte sich in Richtung Privataufgang.
Phil brauchte nicht lange zu warten. Der Kellner kam zurück, machte eine Verbeugung und flüsterte: »Bitte schön, der Herr, Mister Harthy lässt bitten.«
Wortlos ging der menschliche Kleiderschrank voraus, Phil folgte. Sie nahmen eine Treppe, die ins erste Geschoss führte. Die zweite Tür rechts war Harthys Büro.
Phil trug
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