0342 - Schnee und schwarze Diamanten
brachte mich rasch in Sicherheit, und schloss die Tür von außen, denn Phil suchte fieberhaft nach einem Wurfgeschoss. Im Fortgehen nahm ich das Ergebnis unseres Labors über die Untersuchung der Buddhascherbe mit.
Nach zwanzig Minuten Fahrt erreichte ich die ostasiatische Kunsthandlung, die zwischen der Church Street und dem West Broadway lag. Bei Tag sah alles viel weniger romantisch aus. Ich fuhr einige Häuser weiter und stoppte meinen Jaguar. Als ich ausstieg, schnupperte ich eine Seebrise, die vom nahen Hafen herüberwehte. Jeromins Laden passte in diese Gegend. Mit schnellen Schritten überquerte ich die schmale Straße und bummelte bis vor Jeromins Schaufenster.
Der Laden lag auch bei helllichtem Tag in einem mystischen Halbdunkel. Um diese Zeit kamen oder gingen noch keine Ozeandampfer. Daher würde sich auch kaum ein Käufer in diese Gegend verlaufen.
Ich betrat das Geschäft und sah mich um. Im Hinterzimmer bimmelte gedämpft eine Glocke. Interessiert betrachtete ich die Götzenbilder an den Wänden.
Hinter mir wurde eine Tür geöffnet, ich hörte das Trippeln von Damenschuhen.
»Sie wünschen?«, fragte eine weibliche Stimme.
Im Zeitlupentempo drehte ich mich um. Ich sah in zwei intelligente und verführerisch schöne Augen.
»Ich möchte Mister Jeromin sprechen«, sagte ich.
»Er ist nicht im Haus, aber Sie können sich ungestört im Geschäft umsehen«, erwiderte sie.
Ich wusste bereits, dass Mrs. Halster seit zwei Jahren bei Jeromin arbeitete. Sie kam aus Richmond und war einige Jahre als Stewardess auf verschiedenen Linien geflogen. Alter 31, unverheiratet. Warum sie den Beruf gewechselt hatte, war nicht herauszufinden. Vielleicht hatte sie Jeromin dazu überredet, und dann hatte er zu Lebzeiten keinen schlechten Geschmack gehabt.
An diesem Morgen trug Mrs. Halster ein modisches Kleid. Ihr Auftreten und ihr Make-up zeugten von der gründlichen Schulung, die die Stewardessen erhalten.
»Dann werde ich doch wohl warten müssen, bis Mister Jeromin kommt«, sagte ich.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte sie.
»Ja, den Rat eines erfahrenen Kunsthändlers in einigen Kleinigkeiten. Ich habe da eine Statue, die innen präpariert erscheint.«
»Natürlich gibt es auch präparierte Statuen und Statuetten«, entgegnete sie und wischte mit ihrer zarten Hand über eine dickbäuchige Buddhafigur.
»Und zu welchem Zweck«, bohrte ich weiter, überrascht von der Sachkenntnis dieser jungen Dame, »werden sie bereits präpariert über den Ozean geschickt?«
»Darüber kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben. Da müssen Sie sich schon gedulden, bis Mister Jeromin kommt.«
Sie drehte sich auf ihrem spitzen Absatz um und ging zum Telefon, das etwas verdeckt in einem Regal stand. Sie wählte Jeromins Nummer und wartete mindestens drei Minuten, ehe sie auflegte und sagte: »Er ist nicht mehr zu Hause. Er befindet sich bereits auf dem Weg ins Geschäft.«
»Sagen Sie besser, auf dem Weg zum Friedhof, Mrs. Halster«, verbesserte ich sie. »Mister Jeromin wurde gegen sieben Uhr heute Morgen tot vor seinem Haus aufgefunden. Wahrscheinlich Selbstmord. Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Das klingt nach einem Verhör.«
»Ja. Gestatten Sie: Cotton, FBI.«
»Gestern Nachmittag. Gegen siebzehn Uhr verließ er das Geschäft.«
»Hatten Sie eine Ahnung, wohin er am Abend ging? Ich meine, waren Sie über das Privatleben Ihres Chefs informiert?«
»Nein.«
»Ich frage nur, weil Sie vor zwei Jahren den Beruf gewechselt haben.«
»Darauf muss ich Ihnen doch nicht antworten?«
»Selbstverständlich nicht.«
»Und woher wissen Sie, dass Mister Jeromin tot ist?«, fragte sie.
»Vom zuständigen Polizeirevier. Können Sie sich erinnern, ob Mister Jeromin in letzter Zeit etwas zur Ausstellung nach Chicago geschickt hat? Eine kleine, aber wertvolle Buddhafigur beispielsweise.«
»Hat das etwas mit dem Selbstmord zu tun?«
»Vielleicht.« Ich drehte mich um und betrachtete einige Figuren. »Wenn einer Selbstmord begeht, muss er doch einen Grund haben. Oder finden Sie nicht, Mrs. Halster?«
Ich wandte mich ihr wieder zu und sah, wie Mrs. Halster ein Stilett in der Hand hielt.
»Im Übrigen bin ich sehr an asiatischer Kunst interessiert. An dem Stilett beispielsweise, das Sie da in der Hand halten«, fuhr ich fort und machte einige Schritte auf sie zu. Mrs. Halster legte die fein geschliffene Waffe auf den Ladentisch und lächelte.
»Darf ich mir den Gegenstand einmal näher betrachten?«, fragte ich
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