0343 - Der Satan schickt seine Rechnung
Frederick Hamish sein.
Etwas im Hintergrund hielt sich eine bullige Gestalt, in einen schwarzen Anzug gezwängt. Zweifellos Dean Lawrence, Cynthias Verlobter.
Wie lange wir so standen, weiß ich nicht. Endlich bewegte sich Cynthia, und wir verließen den Raum.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie uns beachteteten. Das war, als sie unten in der Halle saßen und sich gedämpft mit Morris unterhielten.
Der Professor spielte seine Rolle ausgezeichnet.
Er hatte seiner Stimme ein leichtes Timbre unterlegt, und hätten wir nicht genug Anzeichen gehabt, die dagegen sprachen, wäre das Bild einer trauernden Familie komplett gewesen.
Morris stellte uns vor.
»Die Gentlemen sind vom FBI! Das FBI ist der Ansicht, Orville habe den Mord an Dick auf dem Gewissen und würde auch versuchen, Sie zu ermorden.«
Cynthia sah mich an — jetzt zum erstenmal.
»Glauben Sie das wirklich?« fragte sie.
Ich hob die Schultern.
»Jedenfalls müssen wir damit rechnen. Orville ist noch nicht gefaßt!«
»Das ist unglaublich«, regte sich Frederick auf. »Wenn die Polizei tüchtig wäre, säße Orville längst wieder — und zwar in einer geschlossenen Anstalt. Ich war damals sowieso dagegen, ihn nach Gavness zu bringen. Jetzt haben wir die Bescherung. Aber daß man ihn nicht einfängt, ist unglaublich. Spricht nicht sehr für Sie, meine Herren!«
Phil setzte zum Sprechen an, aber ich bremste ihn.
»Ich glaube nicht, daß Orville noch lange frei herumläuft. Die Polizei tut selbstverständlich alles, um ihn zu fangen. Bis dahin aber versuchen wir, Sie zu beschützen. Sie sollten einsehen, daß wir in Ihrem Interesse hier sind — nicht in unserem.«
»Das kann ja heiter werden«, schnappte Frederick. »Wenn ich mir vorstelle, daß wir zwei Tage hierbleiben werden, in diesem Gespensterschloß — na, denn viel Vergnügen. Ist ja wie in einem dieser englischen Gruselfilme!«
»Glauben Sie wirklich, daß die Gefahr so groß ist?« 'fragte Cynthia.
Ich sah sie an. Sie hatte ein unschuldiges Gesicht, aber in ihrer Stimme klang etwas mit wie die Schwingung einer stählernen Saite. Eines war sicher — Angst hatte sie nicht.
»Ich hoffe, nicht«, brummte ich.
Dann erkundigten wir Uns bei den Hamish nach ihren Plänen.
Es ist kein Problem, einen wirksamen Schutz aufzuziehen, aber das beste System platzt, wenn die Kunden nicht mitspielen.
Ich habe da schon die unglaublichsten Dinge erlebt.
Manche Leute begriffen einfach nicht, in welcher Gefahr sie sich befanden und benahmen sich erschreckend leichtsinnig.
Die Hamishs wollten zwei Tage, bis zur Beerdigung, in Havre de Grace bleiben und dann nach New York zurückkehren.
Wir vereinbarten mit ihnen, daß sie sich ständig im Haus aufhalten und nichts unternehmen würden, ohne uns zu verständgen.
Wir glaubten, damit alles getan zu haben.
***
Um diese Zeit lief die Fahndung nach Orville auf Hochtouren. Sein Bild, seine genaue Beschreibung war an alle Polizeistationen der Ostküste durchgegeben worden.
Mr. High hatte veranlaßt, daß der Polizeichef von Toms River am Nachmittag eine kurze Pressekonferenz abhielt, und die Abendblätter hatten jetzt ihre Sensation.
Die Fernsehstationen brachten die Nachricht von der Ermordung von Dick Hamish und ließen Orvilles Bild über die Bildschirme flimmern.
Als Folge davon prägte sich das schmale, etwas asketische Gesicht ungezählten Menschen ein.
Es schren unmöglich, daß Orville diesem dichtgespannten Netz noch entkommen konnte.
Gegen 9 Uhr telefonierte ich mit dem Polizeichef von Havre de Grace.
Ich wollte gerne über die Maßnahmen, die er getroffen hatte, mit ihm sprechen und vereinbarte mit ihm, ihn im City Building zu besuchen.
Phil blieb zurück.
Er hatte das Haus inspiziert und hielt sich jetzt in der Halle auf, wo die Hamishs zu Abend aßen.
Es wurde von einer Köchin serviert, die täglich aus dem Ort heraufkam.
Seit fünfundzwanzig Jahren schon versorgte sie Sam Hamish. Ich sah sie, als ich das Haus verließ — eine kleine, grauhaarige Frau mit einem unscheinbaren, spitzen Gesicht.
Ich fuhr knapp zehn Minuten bis zur City Hall von Havre de Grace.
Der Polizeichef war ein gedrungener Mann mit einer Stimme, als hätte er mit rauchender Salpetersäure gegurgelt.
»Bumby«, stellte er sich vor. »Captain Bumby. Freut mich, Sie kennenzulernen. Mister Cotton!«
Er streckte mir eine stahlharte Rechte entgegen.
»Ich habe die Fernschreiben aus New York bekommen«, sagte er, nachdem er mich in sein Büro geführt hatte.
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