0343 - Kampf um Lady X
nicht so gemeldet, das kann ich dir sagen.«
Domescu wollte es genau wissen. Deshalb rief er laut und deutlich: »Wer ist da?«
»Ich, der Krumme.«
Dragan war überrascht und sah den noch überraschteren Blick des Mädchens. »Der Krumme?« hauchte sie. »Wer ist das?«
»Kann ich dir sagen«, flüsterte Dragan. »Ein widerlicher Kerl. Der letzte Abschaum.«
»Und was will er von uns?«
»Weiß ich nicht.« Dragan setzte sich aufrecht. Sein Bein hielt er dabei lang ausgestreckt. »Bisher hatte ich nie mit ihm zu tun gehabt. Ist schon seltsam.«
»Kann ich reinkommen?« rief Wintek.
»Vielleicht ist es wirklich wichtig«, flüsterte Bianca. »Man kann ja nie wissen. Ein Vampir ist er doch nicht – oder?«
»Nein, der ist selbst für einen Blutsauger zu schmutzig. Mal sehen, was er will.«
»Komm rein, Wintek.«
Der Krumme war ein Schleicher. So benahm er sich auch, als er die Tür öffnete. Vorsichtig, als hätte er etwas Verbotenes im Sinn. Er drückte sich über die Schwelle, blieb dicht vor der Tür stehen und ließ seine Blicke durch den Raum wieseln.
Bianca war unwillkürlich einen Schritt zurückgegangen, als sie den Mann aus der Nähe sah. Nie hatte sie einen Menschen gesehen, dessen Kleidung so schmutzig war. Er hatte einen gebeugten Rücken, aus dem ein Buckel hervorstach. Dieser Umstand gab seiner Haltung stets einen etwas devoten Ausdruck.
»Entschuldigung«, sagte er, denn er hatte die Bewegung des Mädchens genau verstanden.
»Was willst du?« fragte Dragan.
»Ich… ich möchte dich warnen.«
»Und wovor?«
Das graue Gesicht des Krummen verzog sich. Er öffnete den Mund und verströmte eine Schnapsfahne. »Vor dem Grauen, das durch die Nacht schleicht. Ich habe es gesehen.«
»Wen hast du gesehen?«
»Einen Blutsauger!« hauchte er, breitete seine Hände aus und malte Kreise in die Luft. »Einen gefährlichen Blutsauger. Er ist mir begegnet.«
Dragans Augen wurden schmal. »Und du lebst noch?«
Der Krumme kam einen Schritt vor. »Ja, ich lebe noch. Er hat mich nicht gesehen, ich konnte mich verstecken.«
»Aber du hast ihn entdeckt.«
Wieder ging er einen Schritt. »Das kann man wohl sagen. Ich sah ihn, wie er…«
»Los, rede!«
Mit dem schmutzigen Daumen deutete der unwillkommene Besucher auf Bianca. »Kann sie das hören?«
»Ja, sie darf es.«
»Keine schwachen Nerven, Mädchen?«
Bianca fühlte den Blick des Krummen auf sich gerichtet. Sie schauderte unter diesem Ausdruck und schüttelte sich. Plötzlich hatte sie Angst vor dieser Person und befürchtete, daß Wintek etwas Schlimmes mit ihnen vorhatte.
»Hier spielt die Musik, Krummer«, erklärte Dragan.
»Ja, ja, ich weiß.«
»Wie war das also mit dem Vampir?«
»Ich habe es euch schon gesagt. Ich sah ihn, er sah mich nicht, und ich konnte verschwinden.«
»Wo ging er hin?«
»In die Richtung.« Wintek streckte einen Arm aus. Mit dem anderen angelte er sich einen Aschenbecher.
Gedankenschnell schlug er zu.
Dragan Domescu sah noch einen Schatten von oben nach unten rasen. Er saß auf dem Bett, hatte sein verletztes Bein ausgestreckt und begriff erst in dem Augenblick, als ihn der Aschenbecher am Kopf traf, daß alles eine Falle gewesen war.
Da ging auch schon die Welt für ihn unter. Ein Universum schien vor seinen Augen aufzublitzen. Sterne und Sonnen zerplatzten, bevor die Dunkelheit kam.
Wintek lachte dreckig. Als er den Arm zurückzog und auf den Aschenbecher schaute, klebten Haare und Blut an der Kante, mit der er zugeschlagen hatte.
Und der Krumme wurde schnell.
Bevor sich das Mädchen von seiner Überraschung erholt hatte, tauchte er wie ein Riese vor ihr auf. Auch seine ausgestreckte Hand wurde riesengroß, und gnadenlos packte er zu.
Die Finger umklammerten die Kehle des Mädchens. Ein Röcheln konnte Bianca noch ausstoßen, mehr nicht. Sie fühlte, wie die Kraft des Krummen sie zurückdrückte und sie mit dem Rücken genau auf den Tisch fiel, wo sie liegenblieb.
Wintek beugte sich über sie.
Er sah nicht nur schlimm aus, sondern einfach furchtbar. In seinem Gesicht las sie einen Ausdruck, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzte.
Gier und Mord!
Der bringt dich um! schoß es ihr durch den Kopf. Es waren die letzten klaren Gedanken, die sie überhaupt fassen konnte, denn ihr Bewußtsein rutschte in den dunklen Tunnel der Bewußtlosigkeit.
Winteks Hand war wie eine Klammer. Als das Mädchen vor ihm so seltsam reagierte, bekam er einen Schreck. Plötzlich hatte er Angst, sie umgebracht zu
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