0344 - Die Hexe von Nottingham
gemustert hatte. War da nicht Mordgier gewesen? Vielleicht wollte sie ihn töten… auszuschließen war es nicht. Ein weiterer Grund, zuzuschlagen. Er mußte der Rothaarigen zuvorkommen.
Und er begann, seine Falle vorzubereiten. Denn lange würde es nicht mehr dauern, bis Bess und die Rothaarige zurückkehrten…
***
Zamorra und Nicole qartierten sich in einem größeren Hotel in der Innenstadt von Leicester ein. Von hier aus hatten sie es nicht sehr weit bis zum Krankenhaus. Das Zimmer war groß genug, daß nach dem Beiseiteräumen von Tisch und Stühlen zwischen Schrank und Bett ein Freiraum entstand, in den Zamorra den magischen Kreis zeichnen konnte - nachdem er den Teppich beiseitegerollt hatte. Eine Prozedur, die fast schon Routine geworden war. Er verteilte den Staub der magisch aufgeladenen Kreide, zeichnete magieverstärkende Symbole auf und legte Schutzzauber an, die ihn davor bewahren sollten, daß er selbst auf demselben Weg beachtet wurde.
Lieber hätte er die Spur im Krankenhaus selbst aufgenommen. Aber dort würde man kaum Verständnis zeigen…
Zamorra legte seine Kleidung ab und vollzog das »Reinigungsritual«, um sich von allem störenden geistigen Ballast ebenso zu befreien wie von stofflichen Fesseln. Dann ließ er sich inmitten des Kreises nieder, den Nicole hinter ihm schloß. Sie selbst zog einen weiteren Schutzkreis um sich herum. Man konnte nie wissen, ob es nicht ein Stich ins Wespennest wurde, bei dem gewaltige, unabschätzbare Kräfte entfesselt wurden…
Zamorras Hände umschlossen das Schwesternhäubchen, das er mitgebracht hatte. Seine Lippen bewegten sich; fast lautlos murmelte er die Beschwörungsformeln. Er versetzte sich in Halbtrance. Insgeheim hoffte er, daß sein Amulett endlich wieder aus seiner Starre erwachen und helfend eingreifen würde. Aber da geschah absolut nichts.
Zamorra versenkte sich in die konzentrierte geistige Erforschung des Häubchens. Er spürte die Aura der Besitzerin. Es war eine junge Frau, die fest auf dem Boden der Tatsachen stand, die eine Idealistin war und sich der Krankenpflege verschrieben hatte, weil in ihr das Bedürfnis war zu helfen, trotz der schlechten Bezahlung… eine lebenslustige Frau, die Zamorra jetzt fotografisch deutlich vor sich sah, die ihn aber nicht interessierte. Er tastete weiter. Und da fand er etwas. Es war nur verschwommen. Verschlagen, böse, das Leben verachtend, gemein und von verhaltener Wut auf jemanden überlagert. Angst vor Entdeckung, Unsicherheit vor etwas anderem. Da war Magie… Abschirmung.
Zamorra verstärkte seine Bemühungen, etwas zu »sehen«. Er wollte die Abschirmung durchbrechen und das geistige und körperliche Bild dieser anderen Frau ebenso deutlich erkennen können wie das der Schwester, die er ein wenig zurückdrängte, um nicht von ihr förmlich geblendet zu werden. Zunächst schien es so, als würde es ihm nicht gelingen. Er spürte, wie der Schweiß aus seinen Poren hervortrat und sich als kalter Film auf seinen Körper legte. Aber er nahm es nur nebenher wahr. Seine Hände zitterten. Stärker hinein, tiefer in jene seltsame Aura… wie ein Schatten, wie ein unscharfes Bild auf der Dia-Leinwand, das nur langsam an Schärfe gewinnt, trat das Aussehen der Frau hervor. Ein schmales Gesicht, dunkle Augen, schwarzes, lang wallendes Haar. Ein herrisches Kinn. Spöttische Überlegenheit. Der Gesichtsausdruck gab das Bewußtsein gewaltiger Macht und umfangreichen Wissens wider. Und da war Bösartigkeit. Da war die Kraft der Hölle, der Schwarzen Magie.
Wo bist du? wollte Zamorra wissen. Wo finde ich dich?
Etwas dirigierte ihn nach Norden. Er glaubte zu spüren, daß sein Ziel weit außerhalb von Leicester lag. Etwas in ihm raunte, daß er einen Fehler begangen hatte. Daß er keine Möglichkeit geschaffen hatte, den Zielort zu bestimmen.
Irgendwie mußte Nicole seine unterbewußten Gedanken auffangen. Plötzlich lag eine Karte in Zamorras Hand. Er berührte sie. Etwas zwang ihn, seinen Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt zu legen. Der Punkt schwärzte sich, als brenne dort eine Flamme weg. Zamorras Fingerkuppe. Die Schwärze breitete sich aus. Plötzlich war die Karte weg. Zamorra sah ein graues Mietshaus, eine schmale Straße…
Dann kam der Zusammenbruch. Es ging blitzschnell. Von einem Moment zum anderen kippte er um, prallte mit dem Oberkörper gegen die Grenze des magischen Kreises und wurde von unsichtbarer Kraft gehalten. Langsam rutschte er in sich zusammen. Eine Hand glitt über den
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