0344 - Vampir-Schlangen
blieb sie liegen, faltete die Hände und hoffte darauf, daß der unheimliche Spuk an ihr vorüberziehen würde.
Das Rauschen und Schlagen der Flügel war noch zu hören, aber der Vampir stieß nicht dem Boden entgegen. Über die Spitzen der dicht stehenden Bäume hinweg flog er und verschwand im Dunkel der Nacht.
Bianca Schwarz weinte vor Erleichterung. Sie konnte es kaum glauben, es geschafft zu haben. Die Sache hätte natürlich anders ausgesehen, wäre der Vampir ohne Beute herbeigeflogen. So aber mußte er sich bestimmt um wichtigere Dinge kümmern.
Es dauerte seine Zeit, bis sie ihre Gedanken wieder einigermaßen sortiert hatte. Der ersten Gefahr war sie entronnen, eine zweite lauerte bestimmt noch.
Was sie gesehen hatte und wenn sie daraus ihre Folgerungen schloß, traute sie dem Krummen durchaus zu, daß er es schaffte, die halb zerstörte Brücke zu überwinden. Das gelang ihm…
An das Wort bestimmt dachte sie nicht mehr, weil sie ein Krachen aus ihren Gedanken riß.
Dazwischen ein Knallen wie von Schüssen und auch das Splittern war zu hören.
Es gab für Bianca nur eine Erklärung.
Die Brücke war eingestürzt.
Und mit ihr der Krumme!
Davon ging sie aus, und sie wußte nicht einmal, ob sie darüber erleichtert sein sollte. Möglicherweise doch, er hätte Schlimmes mit ihr vorgehabt. Jedenfalls lebte sie noch und mußte nun den zweiten Weg über die Schlucht suchen. Sie wußte leider nicht, wie lang die Schlucht war.
Wichtig war für Bianca nur, daß sie überlebt hatte. Alles andere zählte jetzt nicht. Sie hatte sich so tief in das Gebüsch hineingewühlt, daß es ihr Schwierigkeiten bereitete, wieder hervorzukriechen. Die Zweige und Äste glichen Armen, die sie festhalten wollten, als wäre sie eine sichere Beute für die Natur.
Durch Zerren, Reißen und manchen Kraftakt gelang es ihr, sich von diesen Klammern zu lösen, und sie atmete auf, als wieder Farnkraut und Gras ihre Beine umspielten.
Vornübergebeugt und schweratmend blieb sie stehen. Für einen Moment tanzte alles vor ihren Augen, die Anstrengungen der letzten Minuten waren doch ein wenig zuviel gewesen.
Und sie sah die Schlucht.
Nur die Schlucht!
Die Brücke gab es nicht mehr. Bianca erinnerte sich an das Krachen, Bersten und Splittern. Es war aufgeklungen, als die Brücke in die Tiefe fiel.
Sie preßte wieder ihre Hände gegen die Wangen. Sie hatte sich erschreckt. Denn mit der Brücke mußte auch Wintek in die Tiefe gefallen sein. Der einzige Mensch, der ihr eigentlich hatte helfen wollen, obwohl sie sich so sehr vor ihm fürchtete. Jetzt wünschte sich das Mädchen, Wintek möge noch bei ihr sein, und sie vergaß auch nicht den Vampir, der hoch über ihr als Fledermaus hinweggesegelt war.
Einige Schritte traute sie sich noch nach vorn. Es war sehr still geworden. Noch immer trug sie ihr Nachthemd, durch dessen dünnen Stoff die Kälte schnitt und in ihre Haut biß. Da die Anspannung nachgelassen hatte, spürte sie die Kälte doppelt so stark. Gerötet war ihr Gesicht, wieder klapperten die Zähne aufeinander, und der Atem dampfte vor ihren Lippen. Bestimmt hatte sie sich schon eine Unterkühlung geholt, die vielleicht in einer Krankheit enden würde.
Bis an den Rand traute sich das Mädchen nicht. Es blieb einige Schritte davor stehen, schaute nach vorn und konnte auch in die Schlucht hineinsehen.
In eine schweigende Welt, die ihr keine Antwort gab und mit Nebelschwaden gefüllt war.
Irgendwo am Grund mußten die Trümmer der Brücke liegen, und sie bedeckten auch den Körper eines gewissen Wintek, der ihr einmal geholfen hatte. Aus sehr egoistischen Gründen, wie sie meinte, deshalb konnte sie auch nicht über ihn weinen.
Ihr fielen wieder seine Worte ein. Er hatte gesagt, daß es noch einen weiteren Übergang geben mußte. Ihn zu finden, war die einzige Chance des Mädchens.
Bianca drehte sich um. Zwischen Schlucht und Wald wollte sie entlanggehen. Vielleicht wurde dieser Schnitt in der Erde irgendwann einmal schmaler, so daß sie darüber hinwegspringen konnte.
Jäh stoppten ihre Gedanken. Biancas Blicke waren auf den Waldrand gefallen.
Dort genau sah sie eine Bewegung. In direkter Blicklinie sah sie den Schatten, der plötzlich seine Schritte auf sie zulenkte. Er ging seltsam gebeugt, wenn nicht krumm…
Genau! Das war es!
Sie hatte den Krummen gesehen. Er lag nicht zerschmettert am Boden der Schlucht. Er lebte und kam auf sie zu. Bald erkannte sie sein Gesicht. Es zeigte ein kaltes Lächeln, und sie wußte
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