0346 - In der Nachbarschaft des Todes
Kribbeln erfüllt, daß ich es nicht mehr aushalten konnte. Ich setzte mich richtig hin und reckte die Beine von mir. Das Kribbeln wurde stärker. Statt Blut mußte sich ein Heer von Ameisen in meinen Adern bewegen.
»Ich werde vorsichtshalber den Schlüssel abziehen, falls es einem gelingen sollte, bis zur Tür durchzubrechen«, sagte Steve Dillaggio.
»Gut«, stimmte ich zu. »Aber wenn sie nicht bald kommen, werde ich nervös. Meine Füße sind eingeschlafen. Ich kann nicht mehr darauf stehen.«
»Massieren«, rief Phil lakonisch.
Ich legte die Pistole zwischen meine ausgestreckten Beine und setzte Phils Rat in die Tat um. Das Kribbeln langte auf einem Höhepunkt an, wo man nicht wußte, ob man wie ein Kind blödsinnig kichern, oder wie ein Mann herzhaft fluchen sollte. Ich entschied mich für eine dritte Möglichkeit und schwieg mit zusammengepreßten Lippen.
»Achtung!« zischte Phil, zog seinen Kopf zurück und preßte sich hart an die Wand neben der Verbindungstür.
Steve Dillaggio hielt seine Dienstpistole in Gürtelhöhe eng an sich gedrückt. Mit zurückgelegtem Kopfe lauschte er.
Ich ergriff schnell meine Waffe und ging wieder in die Hocke. Das Kribbeln hatte ein wenig nachgelassen, war aber noch immer da. Nur hatte ich jetzt keine Zeit mehr, daran zu denken.
So lange es zunächst gedauert hatte, so schnell spielte es sich jetzt ab. Fast zugleich mit Phils Warnung hörten wir aus dem Nebenzimmer, wie die Tür zum Tresorraum aufgestoßen wurde. Die Schritte der drei Gangster durchquerten schnell den benachbarten Raum. Ich zog den Kopf ein.
»Nanu!« rief Nummer eins.
Der Stimme nach mußte er schon mitten ln unserem Zimmer stehen. »Wo ist denn —«
Er kam nicht dazu, seine Frage zu beenden. Von Phils Platz her tönte die Stimme meines Freundes in metallischer Härte:
»FBI! Hände hoch! Laßt die Waffen fallen!«
Ich schnellte hoch. Steve kam hinter seinem Schrank hervor. Mit einem Blick erfaßte ich die Situation. Nummer eins stand etwa in der Mitte unseres Zimmers. Er hielt seinen Colt noch in der Hand. Seine Komplicen trugen zusammen einen Leinensack, ihre Waffen hatten sie weggeworfen.
Der Colt des Gangsterchefs fuhr in die Höhe. Unsere ebenfalls. Vier Finger lagen an vier Abzügen. Zwei Sekunden wurden zu einer unendlich langen Frist. Dann spreizte der Gangsterchef die Finger und ließ den schweren Colt auf den Fußboden fallen.
»Okay«, sagte er leise und kein bißchen überrascht. »Okay. Ihr habt gewonnen. Aber nur die erste Runde!« Seine Arme glitten empor.
»Den Sack!« befahl Phil.
Die beiden anderen ließen ihre Beute fallen und hoben ebenfalls die Hände. Mit einem Fußtritt brachte Steve deh Geld sack und den Colt des Gangsterchefs aus ihrer Reichweite. Phil bückte sich und hob die Waffe auf.
Ich riß die mittlere Schreibtischlade auf und brachte acht Paar Handschellen zum Vorschein. Die chromblinkenden Zangenfesseln waren brandneu, letzte Lieferung aus der Fabrik für Polizeibedarf.
»Bevor ihr mit dem Zeug ankommt«, ließ sich Nummer eins vernehmen, »möchte ich einen Vorschlag machen.« Ich klickte die erste auseinander. Phil fragte:
»Welchen Vorschlag?«
Ich klickte die zweite auseinander. »Ihr laßt uns mit dem Geldsack verschwinden«, sagte Nummer eins ruhig.
»Und ihr laßt uns zwanzig Minuten Vorsprung. Nicht mehr, nicht weniger.«
»Ruf ein Sanatorium, Jerry«, sagte Phil. »Sie sollen mit einem geschlossenen Wagen kommen. Wir haben einen Geisteskranken unter uns.«
»Abwarten«, entgegnete Nummer eins mit seltsamer Betonung. »Es gibt einen sehr gewichtigen Grund, warum, ihr unseren Vorschlag annehmen solltet.« Phil fragte:
»Und welcher Grund wäre das? Warum sollten wir einen solchen verrückten Vorschlag annehmen?«
Der Gangsterchef sah sich langsam um. Er entdeckte Jack Cropton, der nach meiner Anweisung noch immer auf dem Fußboden saß. Der vornübergesunkene Kopf und die leisen, regelmäßigen Atemzüge verrieten, daß der alte Kassierer allen aufregenden Ereignissen zum Trotz eingeschlafen war.
»Mister Cropton hat uns also beim FBI verpfiffen«, stellte Nummer eins kühl und ohne Erregung fest. »Nun, ich hatte diese Gefahr natürlich in Betracht gezogen. Und das ergibt auch den Grund, warum ihr uns laufen lassen müßt.«
»Außer irgendwann einmal zu sterben, gibt es nichts, was wir müßten«, erwiderte Steve Dillaggio.
Nummer eins reagierte auf den Einwand nicht. Er nickte in Richtung auf den schlafenden Kassierer.
»Meine Leute
Weitere Kostenlose Bücher