0349 - Brücke der knöchernen Wächter
Leuchtreklame jenseits der Mauer. Die einzelnen Buchstaben schauten über die Krone hinweg und leuchteten in unterschiedlichen Farben auf.
Einen anderen Schein sah ich nicht. Die gegenüberliegende Seite lag im Dunkeln.
Da der Reiter sich noch immer nicht zeigte, stemmte ich mich aus der Gullyöffnung. Niemand hinderte mich daran. Auch als ich neben der runden Öffnung stehenblieb, tat sich nichts.
Schweigen umgab mich.
Mittlerweile hatten sich auch meine Augen besser an die Düsternis gewöhnt. Es gelang mir sogar, einige Details auszumachen, und so stellte ich fest, daß die Wände der Häuser nicht glatt und fugenlos waren, sondern von Fensterhöhlen unterbrochen wurden.
Was lauerte dahinter?
Licht sah ich nicht. Die Dunkelheit nistete in den Räumen. In unterschiedlicher Höhe waren die Öffnungen zu sehen. Für mich ein Beweis, daß die im Haus liegenden Zimmer und Kammern möglicherweise durch Treppen oder Stiegen miteinander verbunden waren.
Orientalische Häuser, das wußte ich, glichen oft Labyrinthen, in denen man sich verlaufen konnte.
Keine Spur von dem Reiter!
Auf dem Hof wollte ich nicht länger bleiben. Hier kam ich mir ebenfalls vor wie in einem Gefängnis. Daß ich mir den Reiter nicht eingebildet hatte, war zu riechen, denn nach wie vor lag der noch von den Pferdehufen aufgewirbelte Staub in der Luft und kitzelte meine Nase.
Jenseits der Bauten klangen die Stimmen auf. Da waren Menschen, dort gab es Leben, während ich hier das Gefühl hatte, von den Schatten des Todes umgeben zu sein.
Ohne angegriffen worden zu sein, erreichte ich die Hintertür, die ich mir ausgesucht hatte. Tür war übertrieben. Vor mir zitterten die Schnüre eines bis auf den Boden reichenden Perlenvorhangs. Es gab einen freien Raum zwischen den einzelnen Schnüren, die unmerklich zitterten und sich an manchen Stellen berührten.
Es war ein seltsames Bild, trotzdem kein Trugschluß. Hinter dem Vorhang malte sich schwach ein Bild ab.
Dort stand der Reiter!
Zuerst bekam ich einen Schreck, schluckte das Gefühl herunter und ließ mir nichts anmerken. Die Nerven gerieten wieder unter meine Kontrolle. Als wäre es völlig normal und alles selbstverständlich, streckte ich den Arm aus, berührte den Vorhang und tat so, als wollte ich ihn zur Seite ziehen.
Dabei berührten sich die Perlen. Sie klingelten gegeneinander, und ihr buntes Muster wurde durch die Bewegung zu einem schattenhaften Farbenspiel in der Dunkelheit.
Dann kam der Reiter.
Ich vernahm weder einen Schrei noch einen Ruf der Anfeuerung.
Der Unheimliche auf seinem Pferd sprengte aus dem Stand los und hatte sich mich als Ziel ausgesucht. Der Vorhang störte ihn ebenfalls nicht. Wuchtig ritt er gegen ihn, so daß die langen Perlenschnüre vor mir in die Höhe geschleudert wurden und mir entgegenflogen.
Sie hätten mich auch erwischt, wäre ich nicht hastig zurückgesprungen. So huschten sie dicht vor meinen Augen vorbei, und bevor sie wieder nach unten in die alte Lage fallen konnten, war der Reiter schon draußen.
Er wuchs hoch vor mir auf. Noch immer konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Auf dem Pferderücken schien ein Schatten zu sitzen, so sehr waren beide miteinander verwachsen.
Riesengroß kam mir der Kopf vor. Kein Glühen in den Pferdeaugen, auch keines unter der Kapuze des Reiters, der mit dem rechten Arm ausgeholt hatte und sein Schwert wieder von oben nach unten rasen ließ. Diesmal hielt er es noch schräg, er wollte voll erwischen und mußte, wenn er tatsächlich Augen besaß, direkt in das Mündungsfeuer der Beretta schauen, denn ich hatte geschossen.
Ob und wen ich getroffen hatte, konnte ich nicht sehen, denn ich lag ebenfalls am Boden, rollte mich herum, sprang wieder auf und hörte dabei noch das Echo des Schusses, das zwischen den Mauern wetterte.
Bisher hatte ich es nur mit einem Gegner zu tun. Ich hoffte, daß dieser Schuß nicht noch weitere aufgeschreckt hatte, huschte noch weiter zurück und wußte schließlich die Mauer als Deckung in meinem Rücken.
So blieb ich für einen Moment stehen.
Es hatte nicht den Reiter erwischt, sondern das Pferd. Und, das war für mich sehr wichtig, die Silberkugel hatte tatsächlich Erfolg gezeigt. Auch bei diesem Wesen, das möglicherweise einem uralten fremdländischen Mythos entstammte.
Das Pferd brach zusammen.
Bis zur Mitte des Hofes hatte es das Tier geschafft, dann gaben seine Beine nach. Ohne einen Laut von sich zu geben, wälzte es sich plötzlich am Boden und drehte sich dabei
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