035 - Das Dorf der Kannibalen
das Dorf hinter sich gelassen und näherte sich wieder dem Motel, in dem kaum noch Licht brannte. Gegen den hellen Nachthimmel sah er die dicke, schwarze Rauchfahne, die aus einem der Schornsteine emporstieg. Doch dann merkte er, daß es wohl nur eine Täuschung war. Als er genau hinsah, entpuppte sich der Rauch als bizarre Wolke, die sich langsam vor den Mond schob.
Hunter war außer Atem, als er das Motel erreichte. Er hatte die Strecke im Dauerlauf hinter sich gebracht, denn er wollte so schnell wie möglich an seine Spezialpistole herankommen. Er wandte sich nach links, wo sich die langgestreckte Remise befand, die zu Garagen umgebaut worden war. In einer dieser Garagen mußte sein Wagen stehen.
Die Remise war nicht mehr vorhanden.
Dorians Gedanken überschlugen sich. Also hatte er ein Trugbild gesehen. Seine Vorstellung hatte ihm etwas vorgegaukelt, was nicht existent gewesen war. Waren nicht auch die drei Doggen nur eine Illusion gewesen? Nach dem Verlust seiner Dämonenbanner schien er unter den Einfluß einer starken fremden Gewalt geraten zu sein, die ihn ganz bewußt narrte, die mit ihm spielte, sich vielleicht sogar über ihn amüsierte. Man gab ihm immer wieder Gelegenheit, zurück in die Realität zu gleiten.
Er ging langsam auf den Platz zu, wo die Remise gestanden hatte. Dort wucherte jetzt Unkraut, und er stieß auf einen brodelnden Sumpf. Hunter blieb am Rand des Sumpfes stehen, nagte an seiner Unterlippe und fragte sich, wo sein Wagen versteckt sein könnte. Er dachte an Eva. Wußte sie von diesem Hexenspuk? War auch sie genarrt worden? Oder steckte sie etwa mit den fremden Mächten unter einer Decke?
Blubbernd bildeten sich Gasblasen in dem Morast vor ihm. Übelriechende Dämpfe schlugen ihm entgegen. Ein fettes Schmatzen war zu hören, dessen Ursprung Dorian nicht zu ergründen vermochte. Unwillkürlich trat er vom Rand des Sumpfes zurück. Der Morast erschien ihm wie ein riesiges Tier, das nur darauf wartete, ihn verschlingen zu können.
Was konnte er für Eva tun? Sollte er sich überhaupt noch für sie einsetzen? Mehr denn je kam sie ihm wie ein Köder vor. Die Frage war, ob Trevor Sullivan überhaupt in diesem Ort festgehalten wurde.
Dorian Hunter ging auf das Motel zu. Es schien Realität zu sein. Er öffnete die Tür, betrat die Vorhalle und ging zum Kaminzimmer, in dem man die Touristen untergebracht hatte. Er öffnete die Tür und sah die Reisenden. Schläfrig saßen oder lagen sie in ihren tiefen, bequemen Sesseln. Er hatte den Eindruck, daß ihre Zahl sich vermindert hatte. Wahrscheinlich waren einige bereits auf ihren Zimmern.
Er hörte Stimmen hinter sich – zwei Männer, die miteinander stritten. Leise zog er die Tür zu und ging zurück zum Empfang, wo der Geschäftsführer und ein älterer Mann von vielleicht fünfundfünfzig Jahren standen.
»… müssen Sie meine Frau doch gesehen haben«, sagte der Tourist aufgebracht und besorgt zugleich. »Sie selbst sind mit ihr ins Obergeschoß gegangen und haben ihr das Zimmer gezeigt.«
»Eine Verwechslung, Sir«, sagte der Geschäftsführer bedauernd.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Ich weiß genau, daß Sie es gewesen sind. Ich habe doch Augen im Kopf.«
»Sie verwechseln mich mit meinem Bruder«, erklärte der Geschäftsführer, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.
»Gedulden Sie sich einen kleinen Moment. Ich werde ihn sofort holen.«
»Stimmt etwas nicht?« mischte sich Hunter ein.
»Meine Frau ist spurlos verschwunden. Sie ist auf ihr Zimmer gegangen, aber ich kann sie nicht finden.«
»Sie haben einen Bruder?« wandte sich Hunter an den spitzohrigen Geschäftsführer.
»Einen Zwillingsbruder. Man sagt, daß die Ähnlichkeit sehr groß sei.«
»Ich warte im Kaminzimmer.« Der ältere Mann klopfte auf seine Armbanduhr. »Wenn meine Frau in zehn Minuten nicht da ist, gibt es Ärger – darauf können Sie sich verlassen.«
»Die Herrschaften sind alle ein wenig nervös«, sagte der Geschäftsführer zu Dorian.
»Ich bin es ebenfalls«, erwiderte Hunter. »Können Sie mir vielleicht erklären, wohin die Garagen verschwunden sind?«
»Wie bitte, Sir?«
»Die Garagen«, wiederholte Hunter. »Sie sind verschwunden wie die Frau des Gentleman.«
»Aber Sir, das ist ausgeschlossen! Sie müssen sich irren.« Der Geschäftsführer lächelte milde. Langsam ging er auf die Tür zu und deutete nach draußen. Dorian, der ihm folgte, blieb überrascht stehen. Die langgestreckte Remise war wieder zu sehen.
»Ich sehe
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