035 - Das Dorf der Kannibalen
plötzlich hinter ihm stand, sich um seinen Hals legten.
Der Seitentrakt schien unbewohnt zu sein. Dorian Hunter hatte innerlich längst auf Alarm umgeschaltet. Verstohlen schaute er sich immer wieder um. Er rechnete jeden Moment mit einer teuflischen Überraschung.
Der Korridorgang war noch nicht ausgebaut. Es gab nur rohe Ziegelwände, kaum Licht. Der Geschäftsführer schritt ruhig voraus, doch auf einmal wurde sein Gang schleppender, schleichender. Der Oberkörper fiel nach vorn, die Schultern wurden hochgezogen. Aus dem eben noch steifen Mann wurde eine Art Raubtier, das Witterung aufgenommen zu haben schien. Dann drehte er sich um und zeigte sein wahres Gesicht: eine gierig verzerrte Fratze, deren Augen glühten. Die Lippen hatten sich halb geöffnet, gaben Zähne frei, die spitz zugefeilt waren und an die von Kannibalen erinnerten.
Das Scheusal ging zum Angriff über. Es streckte seine überlangen Arme nach Dorian aus. Die Finger zeigten spitze Krallen. Aus dem Maul des Untiers kamen pfeifende, gurgelnde Geräusche.
Dorian spreizte Zeige- und Mittelfinger und stieß damit ins Gesicht dieses unmenschlichen Scheusals. Es hatte diesen Angriff nicht erwartet und zuckte zurück. Ein gereiztes Fauchen erklang.
Hunter lenkte das kannibalenartige Wesen mit einem zweiten Scheinangriff ab. Aber der Mann hatte sich auf Dorians Kampfweise eingestellt. Er griff blitzschnell an, umklammerte mit seinen langgliedrigen Spinnenhänden Dorians rechtes Handgelenk, wich zur Seite aus und verdrehte Hunters Arm. Ob er wollte oder nicht, Dorian mußte dem Griff nachgeben. Er wirbelte durch die Luft und landete krachend auf dem Boden. Erst bei dieser Gelegenheit merkte er, daß der Steinboden mit Unrat bedeckt war.
Er warf sich herum und entging so dem nächsten Angriff des Scheusals. Bevor er seinen Vorteil nutzen konnte, stand der Spitzohrige schon wieder auf den Beinen. Das Scheusal war ungemein schnell und verfügte über erstaunliche Kräfte.
Hunter duckte sich und unterlief die Klauen des Kannibalen. Dabei riß er sein linkes Bein hoch und traf dessen Handgelenk. Das Wesen brüllte auf und starrte auf die gebrochene Hand. Dorian schlug ein zweites Mal zu. Er brachte das Ungeheuer zu Fall, und brach ihm mit einem Tritt das Rückgrat.
Schweratmend richtete er sich auf. Das Ungeheuer lag hilflos am Boden, schnappte nach ihm, konnte ihn aber nicht erreichen.
Hunter beugte sich vorsichtig vor. »Wer bist du? Gehörst du zur Schwarzen Familie?«
Das Untier geiferte weiter, produzierte unverständliche Laute und scharrte mit den langen Armen im Unrat. Er schlug ein Kreuzzeichen, doch das Wesen reagierte nicht darauf. Die Zähne schlugen knackend aufeinander, die tiefliegenden Augen glühten.
Das Licht flackerte. Aus der Tiefe des langen Korridors waren schleifende, tastende Schritte zu hören, sabberndes Gemurmel, Laute, die er nicht einzuordnen wußte. Hunter begriff, daß die Gefahr noch nicht vorüber war.
Er sprang über das Scheusal hinweg und brachte sich in Sicherheit. Schon nach wenigen Schritten spürte er kühle Luft auf seinem erhitzten Gesicht. Er sah einen Lichtschein und eine Tür, die weit geöffnet war. Noch einmal horchte er in den Korridor zurück. Ein dumpfes Brüllen war zu vernehmen und ein Scharren und Stampfen. Dann herrschte Stille.
Hunter schritt durch die Tür ins Freie und blieb überrascht stehen. Da waren die Garagen! Handelte es sich erneut um eine Illusion? Sein Blick schweifte zum Motel. Der dunkle, finstere Block hatte sich aufgehellt. Hinter vielen Fenstern brannte Licht, leise Tanzmusik war zu hören. Das Haus schien wieder zu leben und zu atmen.
Dorian wußte nicht, in welcher Garage sein Wagen stand; er konnte nur ein Garagentor nach dem anderen öffnen. Hinter dem zweiten Tor sah er das Heck seines Wagens. Er ging hinein – und drohte plötzlich das Gleichgewicht zu verlieren. Der Boden verwandelte sich in weichen Brei, der ohne Übergang so zäh wie Sirup wurde, ihn festhielt, umklammerte und immer tiefer einsacken ließ.
Dorian verhielt sich vollkommen ruhig, nachdem er die erste Schrecksekunde hinter sich gebracht hatte. Hastige Bewegungen hätten ihn nur noch schneller einsinken lassen. Er sah sich nach einem Gegenstand um, an dem er sich festhalten konnte, doch über ihm war nur freier Himmel. Die Remise mit den Garagentoren war wieder verschwunden. Damit war für den Dämonenkiller alles klar. Irgendwo in der Nähe existierte eine Person, die Fern- und Massenhypnose
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