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035 - Wettlauf gegen die Zeit

035 - Wettlauf gegen die Zeit

Titel: 035 - Wettlauf gegen die Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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vor der die alte Stadtautobahn endete. Ein Dutzend bewaffneter Männer bewachten sie. Die Bilder der Riesenkröten zogen ihm durchs Hirn, die drolligen Dysdoorer und die unkomplizierten Männer des Bürgerrats von Coellen. Und schließlich landeten seine Gedanken dort, wo sie in so vielen schlaflosen Nächten der letzten Wochen gelandet waren bei Daanah.
    Er hörte ihre raue Stimme, sah ihre grünen Augen, streichelte in Gedanken ihr rotblondes Haar. Einem Film gleich begannen die vielen gemeinsamen Stunden, die sie an der Spitfire gearbeitet hatten, an ihm vorbeizuziehen, die vertrauten Stunden, in denen einer dem anderen sein Herz geöffnet hatte, die Stunden, in denen sie sich im Passagierraum der alten DC-3 geliebt hatten.
    Und wie immer, wenn die Erinnerung ihn überwältigte, stiegen ihm irgendwann die Tränen in die Augen…
    Schluss jetzt, es hat keinen Sinn, hör auf damit… Er hielt den inneren Film mit Gewalt an und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Eine Zeitlang gab er sich der Erinnerung an seine Astronautenausbildung in Cape Canaveral hin, und schließlich saß er in Gedanken im Cockpit der F-17 und simulierte einen Start. Der gelang ihm perfekt.
    Danach legte sich seine innere Unruhe endlich. Bleierne Müdigkeit zog ihn zur Grenze in das Land der Träume. Sein letzter bewusster Gedanke vor dem erlösenden Schlaf war eine Frage: »Was, um alles in der Welt, mag bloß ein ›Frekkeuscher‹ sein, Mickey…?«
    ***
    Die anbrechende Nacht verwandelte die Uferkulisse nach und nach in eine dunkle zerklüftete Wand. Die Konturen sich im Wind wiegender Äste und verfallener Ruinen waren nur noch undeutlich auszumachen. Haynz hockte schweigend in seinem Eisenvogel. Der anfänglichen Wut und der Trauer danach war dumpfe Schwermut gefolgt. Um ihn herum und auf den vier Flößen hinter ihm stöhnten und ächzten seine Männer. Mit ihren Paddeln kämpften sie gegen die Strömung an.
    Lichter tauchten vor ihm aus dem Dämmerlicht auf. Fackeln langsam schoben sie sich näher. »Sie kommen«, sagte Ärwyn.
    Haynz riss die Augen auf. Flammen flackerten im Wind und spiegelten sich im Wasser, etwa drei Speerwürfe weit entfernt. Zwölf Fackelträger zählte Haynz. Daraus schloss er, dass sein Bruder ihm mit sechs Flößen entgegen kam. Normalerweise besetzten die Dysdoorer bei Nachtfahrten jedes Floß mit zwei Fackelträgern.
    »Es sind mehr als wir!«, rief Krautz aus der Dunkelheit hinter dem Leitfloß.
    »Alle in Dysdoor zurückgebliebenen Männer haben Gleemenz als neuem Hauptmann gehuldigt«, sagte Heapert.
    »Gleemenz hat also mindestens sechzig Kämpfer bei sich…«
    »Ruhe!«, zischte Haynz. »Ruhe, sag ich, keiner redet einen Ton…« Er drehte sich nach den Paddlern um. »Keiner, hab ich gesagt.« Das Stöhnen und Ächzen verstummte.
    Bewusst hatte Haynz verboten, Fackeln anzuzünden. Dass Gleemenz es anders hielt, zeigte in Haynz' Augen einmal mehr, wie dämlich er war. Er jedenfalls wollte das Überraschungsmoment auf seiner Seite haben. Die Fackeln rückten näher. Bald sah man die Umrisse von Menschen auf den heran treibenden Flößen und die Schatten ihrer Mäntel, die im Wind flatterten. Und man sah im Lichtdunst der Fackeln, was Haynz und seine Männer lediglich auf Haut und Köpfen spüren konnten: Schneeflocken.
    Und endlich erkannte Haynz auf dem vorderen Floß die gedrungene Gestalt seines jüngeren Bruders. Die Schwermut wich wieder dem Zorn. Er gab ein Geräusch von sich, das wie das Knurren eines angriffslustigen Tieres klang. Gleichzeitig umfasste er den Steuerknüppel seines Eisenvogels. Er legte den Daumen auf den Auslöser für das Schießgerät in der linken Tragfläche. Noch einen Speerwurf weit entfernt war die Flotte seines Bruders jetzt. Jeden Moment würden sie die entgegenkommenden Flöße entdecken.
    Er wollte Gleemenz zuvorkommen und rief laut ins Halbdunkel hinein: »Wie schön, dass ihr eurem Hauptmann entgegen gefahren seid, um ihn zurück nach Dysdoor zu geleiten!«
    Das Plätschern der Paddelschläge auf den entgegenkommenden Flößen verstummte.
    Haynz konnte sehen, wie Gleemenz und seine Anhänger stocksteif auf den zusammengebundenen Stämmen standen und in die Dunkelheit lauschten. So still war es ein paar Atemzüge lang, dass Haynz meinte, das Schweben der Schneeflocken zu hören.
    »Das wollt ihr doch, nicht wahr?!«, rief Haynz. »Die schlimme Geschichte ist sicher eine Lüge, die ganz arg schlimme Geschichte, in Dysdoor würde man einem neuen Hauptmann gehorchen!

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