035 - Wettlauf gegen die Zeit
angestellt hat…«
***
Erst im Morgengrauen waren sie nach Dysdoor zurückgekehrt nass, erschöpft, steif gefroren. Haynz hatte seine ganze Autorität aufbieten müssen, um seine Männer dazu zu bewegen, den Eisenvogel vom Floß zu ziehen und wenigstens in den Hof zu schieben. Danach war jeder in seine Hütte gewankt und hatte sich in seine Decken und Felle eingewickelt.
Haynz und sein Bruder Gleemenz waren die Einzigen, die an diesem Tag nicht schliefen. Gleemenz fror im Kellergewölbe der Hauptmannresidenz, und Haynz brütete auf seinem Thron finster vor sich hin. Von seinen beiden Frauen und Heapert ließ er sich genau erzählen, was vorgefallen war, während er den Eisenvogel gesucht und sich mit den Türks geprügelt hatte.
Ihr Bericht fachte seine Wut aufs Neue an.
»Honnes ist an allem Schuld, jawoll, Honnes, diese Schlange, diese Missgeburt einer Taratze!«, rief er aus.
Vor den Fenstern seines Thronzimmers wurde es schon wieder dunkel. Im Feuerschacht knisterte das brennende Holz, und Haynz, den es vor Zorn nicht länger auf seinem Thron hielt, sprang auf und schaukelte an den beiden Frauen und Heapert vorbei zwischen Feuer und Thron hin und her.
»Honnes und dieser haarige Mistkerl mit den Augengläsern! Den armen Haynz so hereinzulegen! Dem armen Haynz einfach seinen Feuervogel wegzunehmen!« Er blieb stehen und ballte die Fäuste. »Ihr hättet ihn den Kwötschis überlassen sollen! Jawoll, den Kwötschis! Gefressen hätten sie ihn, und der gute Haynz könnte noch voller Stolz aus dem Fenster auf seinen Feuervogel herab blicken!« Er stürmte zum Fenster und schaute in die Dämmerung. »Und jetzt muss ich so einen Eisenvogel sehen, der nicht mal mehr schießen kann…!«
Mit zusammengekniffenen Lippen und verbitterten Mienen schüttelten die beiden Frauen die Köpfe, und Heapert schmatzte vor Erschütterung, während er sich den Dreck aus den Fingernägeln kratzte.
Haynz reckte die geballten Fäuste über den Kopf. »Hilf mir, o allgütiger Wudan!«, brüllte er die Decke an. »Wenn du ein Herz im Leib hast, dann lass Honnes, dieser Schlange, und dem haarigen Gläsermann einen Stern auf die Köpfe fallen. Und dann schick ihnen eine Horde gefräßiger Taratzen, die sie ganz langsam verspeisen und ihnen die Eier abknabbern…«
Seine Stimme erstickte in Tränen. Er warf sich gegen die Wand, barg das Gesicht in den Armen und heulte jämmerlich. Heapert blickte betreten zu den beiden Frauen auf. Eine von ihnen, die lange Dürre, erhob sich und stelzte am Thron vorbei zum Fenster. Dort legte sie Haynz die knochige Hand auf den Kahlkopf.
»Nicht weinen, mein kleiner Hauptmann. Es gibt Gerechtigkeit auf Wudans Welt, es gibt sie, glaub es mir…«
»Wirklich? Meinst du wirklich?«, schluchzte Haynz. »Mein schöner Feuervogel! Orguudoo soll sie holen und braten…!«
»Wudan wird dir den Feuervogel zurückgeben«, sagte die Zweitälteste Frau aus dem ungefähr zwanzigköpfigen Harem des Hauptmanns, ein Erbstück seines Vaters, wie gesagt. »Du musst nur fest daran glauben, und du musst dafür kämpfen, Haynzie.« Hingebungsvoll streichelte sie seine Glatze.
»Und vor allem musst du die Schuldigen bestrafen: Gleemenz und deine achtzehn Frauen, die von dir abfielen und deinen nichtsnutzigen Bruder als Hauptmann feierten…«
»Schlampen! Miststücke!« Haynz stieß sich von der Wand ab und stach fäusteschüttelnd zum Feuer. »Giftspritzen ! Taratzentitten!« Er fuhr herum und blitzte seine älteste Frau an.
»Du hast Recht! Strafe und Verderben über sie! Ich werde sie im Großen Fluss versenken!« Wieder drehte er seine Runden zwischen Feuer und Thron. »Oder nein ich werde sie den Türks verkaufen, ha! Den Türks, genau, das ist gut! Oder noch besser…« Er blieb stehen und fixierte erst seine geballte Faust und dann Heapert. »Ich werde sie unter meinen Getreuen verteilen! Den ungehobeltsten, versoffensten, geilsten, jähzornigsten Burschen werd ich sie schenken! Jawoll, das wird der gute Haynz tun!«
Aus aufgeblasenen Backen blies er die Luft aus, ließ die Fäuste sinken, reckte sein Kinn in die Höhe und straffte sich. »Besser fühl ich mich, viel besser…!« Dann stürmte er zur Tür.
»Und kämpfen werde ich auch…!« , Die erste Hälfte der Nacht verbrachte er damit, von Hütte zu Hütte zu eilen, um seine waffenfähigen Männer zusammen zu trommeln.
Etwas mehr als neunzig waren ihm geblieben nach der Schießerei auf dem Großen Fluss. Zehn oder elf waren ertrunken, dem Eisenvogel
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