0354 - Gruft der wimmernden Seelen
Gesicht zeichnete sich die Qual ab, die sie in diesen Minuten empfand.
Sie hatte den Kopf zur Seite gelegt, umklammerte den Würfel.
Tränen rannen aus ihren Augen und hinterließen auf den Wangen feuchte Bahnen. »Suko!« flüsterte sie mit bebender Stimme. »Suko, ich bitte dich, bleib stehen. Suko, bitte…« Sie flehte ihn an, doch die Gestalt vor ihr schüttelte den Kopf.
»Neiiinnn…«
Er stieß die Antwort dumpf hervor, hatte den Sarg schon überklettert und kam näher.
»Es ist in deinem Interesse!« flüsterte Jane. »Bitte…«
Er schüttelte den Kopf.
Jane starrte auf den Würfel. Sie sah, daß sich in seinem Innern die Schlieren bewegten, und sie wußte auch, daß sich Suko nicht aufhalten lassen würde. Er stand voll unter dem Einfluß des Spuks, dessen Teilgestalt als dünne, graue Schleier durch die Gruft wehte.
Janes Gesicht verzog sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Sie wußte genau, wie man es anstellen mußte, um den Todesnebel zu produzieren.
Und sie tat es.
Volle Konzentration auf den Nebel und den Würfel, der seinem Namen Würfel des Unheils plötzlich alle Ehre machte.
Ja, er brachte das Unheil.
Wolkenartig und dichtgedrängt quoll es grau und irgendwie träge aus allen Seiten des Quaders hervor.
Es war der Todesnebel.
Und Jane Collins stand mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt wie ein kleines weinendes Kind…
***
Suko hatte mit einem Sieg gerechnet. Er wußte genau, daß Jane nicht aufgeben wollte, er hätte es an ihrer Stelle auch nicht getan, aber was wollte sie schon gegen ihn unternehmen?
Nichts.
Deshalb lachte er auch, als er die Warnungen vernahm. Das war nur Strohfeuer, das man ihm entgegenschickte. Nichts Konkretes, denn Jane war keine Hexe mehr, die Macht besaß.
Und dennoch hätte Suko gewarnt sein müssen. Daß er es nicht war, lag an seiner Selbstüberschätzung. Da reagierte er ähnlich wie ein richtiger Dämon, nur sprach er nicht, sondern zeigte seinen Triumph anders.
Doch Jane griff zum letzten Mittel, denn sie produzierte den gefährlichen Todesnebel.
Und das konnte Suko kaum fassen.
Auch wenn er unter dem Bann eines Dämons stand, so hatte er nicht alles vergessen, das ihm gefährlich werden konnte. Und dazu gehörte der Nebel, der gnadenlos den Menschen die Haut vom Körper löste, wenn sie mit ihm in Berührung kam.
Suko, stand da und starrte auf den Würfel.
Er sah ihn kaum noch, weil er von den grauen Wolken verdeckt wurde. Zwar hatte der Spuk ebenfalls seine Zeichen hinterlassen, aber der Todesnebel zeigte sich stärker.
Er schaffte es, die dünnen schwarzgrauen Schwaden zu vertreiben. Suko war sehr damit beschäftigt, auf den Horror-Nebel zu schauen, deshalb sah er nicht, wie sich die dünnen Ausläufer der Wolke zurückzogen und gegen die Wände schwebten, um darin zu verschwinden.
Das hätte Suko eigentlich zu denken geben müssen. Da dies nicht der Fall war, blieb er stehen, hielt die Lippen fest zusammengepreßt und schaute starr auf das wolkenhaft heranquellende Unheil.
Er hörte Janes dunkle Stimme. »Ich… ich hatte dich gewarnt, Suko. Ich hatte dich gewarnt. Du hast es zu weit getrieben. Viel zu weit. Jetzt bist du verloren …«
Suko schüttelte den Kopf. Er ging zurück, obwohl er es eigentlich nicht wollte, aber die Angst vor dem Todesnebel war einfach zu stark.
Und Jane schritt vor.
Sie hielt den Würfel fest. Im dünnen Lichtstrahl und vor den sie verdeckenden Wolken war ihre Gestalt mehr zu ahnen, als zu sehen.
Suko vernahm nur ihre knirschenden Schritte.
Im gleichen Tempo wandte er sich der Tür zu.
Und der Todesnebel hatte Platz. Er breitete sich lautlos und so gefährlich aus. Die Wolken trieben nach rechts und links weg, so daß sie die gesamte Breite der Gruft erfüllten, aber sie drängten auch in Sukos Richtung, der schon bis an die beiden Särge zurückgewichen war und mit der Wade vor eine der beiden Totenkisten stieß.
»Ich kriege dich!« meldete sich Jane. »Der Person, die den Würfel trägt, tut sie nichts. Ich bin gegen den Nebel gefeit, aber dich wird er vernichten. Du wolltest mich töten, Suko, jetzt bist du an der Reihe. Ich wollte es nicht, du hast mich dazu gezwungen.«
Der Inspektor dachte an seinen Auftrag. Sein Gesicht verzog sich vor Wut. Der Spuk hatte ihm das Leben gerettet, dafür mußte er ihm den Würfel bringen.
Noch hatte ihn der Nebel nicht erreicht, war aber bereits so nahe gekommen, daß der Chinese ihn jetzt besser erkennen konnte, ebenso wie die seltsame
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