0354 - Gruft der wimmernden Seelen
dieser kräftige Atemzug bewies ihm, daß er sich nicht mehr in einer anderen Dimension aufhielt, sondern auf der guten alten Mutter Erde. Mochte die Atmosphäre dort noch so durch Umweltbelastungen verseucht sein, diese Luft gab es nur auf dem Blauen Planeten, und Suko stellte sich sofort die Frage, ob er glücklich war.
Er dachte nach, er überlegte, und ihm fiel ein, daß er sich nur schwindlig fühlte. Vielleicht kam das andere noch.
Der Inspektor trat ein paar Schritte zur Seite. Unter seinen Füßen war der Boden zwar hart, aber auch in einem gewissen Sinne nachgiebig. Als Suko genauer hinschaute, stellte er fest, daß er auf braunem Wintergras stand. Mächtige Wolken jagten am Firmament in eine bestimmte Richtung, und der nächtliche Himmel wirkte an einigen Stellen wie blankgefegt.
Nachdem er diese Entdeckung gemacht und auch als positiv eingestuft hatte, kam er endlich dazu, sich einmal umzudrehen. Er wollte sehen, wo er sich befand.
Viel konnte er nicht erkennen. Es war einfach zu finster. Er sah dennoch die sich abzeichnenden Schatten hoch über ihm, so daß Suko zu dem Entschluß kam, sich in den Bergen zu befinden.
Zudem war es kalt.
Der Wind brachte diese Kälte mit, die durch die Kleidung bis auf die Haut drang. Er wehte auch über den langen dunklen Hang, der dicht vor Sukos Zehenspitzen begann und erst weit unten in einem Tal endete.
Die Luft roch nach Schnee. Und eine hellere Schicht erkannte der Inspektor auch auf und dicht unter den Gipfeln der Berge. Dort hatte es bereits geschneit, und das konnte überall der Fall gewesen sein.
Im Himalaya, ebenso wie in den Rocky Mountains oder in den Alpen. Das hatte er dem Spuk überlassen müssen.
Und der war verschwunden!
Suko konnte sich nicht vorstellen, daß die dämonische Gestalt sich so mir nichts dir nichts zurückzog. Sicherlich hielt sie noch einen Trumpf in der Hinterhand, und der Inspektor tat das seiner Ansicht nach einzig Richtige. Er bewegte sich einige Schritte zur Seite, wo er sich auf einem aus dem Boden wachsenden Stein niederließ.
Wenn jemand anderer etwas von ihm wollte, dann sollte dieser sich zeigen.
Sukos Gedanken beschäftigten sich mit der Vergangenheit und mit seiner Rettung. Er empfand plötzlich so etwas wie Dankbarkeit dem Spuk gegenüber. Wäre der nicht gewesen, dann hätte die Große Mutter ihn als Opfer in ihre Klauen bekommen. Flüchtig nur streiften seine Gedanken die Existenz seiner Freunde. Klar, da gab es einen John Sinclair, auch Kara, Myxin und den Eisernen Engel, aber was gingen die ihn an? Er hatte seine eigenen Probleme, zudem hatten die ihm nicht geholfen. Das war allein dem Spuk überlassen worden.
Ja, und da gab es noch eine Person.
Shao!
Seine Freundin, seine Partnerin. Sie lebte in London, würde auf ihn warten, aber auch sie hatte nichts getan, um ihn aus der Misere zu befreien. Sollte sie da hocken und sich Sorgen machen, ihm war es mittlerweile egal geworden. Für ihn gab es andere Dinge zu erledigen.
Suko dachte nicht mehr objektiv. Die Kraft des Spuks hatte auch bei ihm die Wirkung nicht verfehlt, für den Inspektor ging es allein um diese amorphe Gestalt.
»Nun, zufrieden?«
Er zuckte zusammen, als er die fragende Stimme in seinem Rücken vernahm. Auf dem Stein sitzend drehte sich Suko um.
Er schaute in die Dunkelheit und sah in ihr eine noch finstere Insel. Es war die Wolke, der Spuk, der auch einmal als der Namenlose bezeichnet worden war.
Und er hatte den Chinesen nicht im Stich gelassen. Vor ihm schwebte er als runder Ball mit kleinen Einbuchtungen. An den Seiten zitterte er. Nie war er gleichgeblieben, er bewegte sich auch in seinem Innern, wo sich innerhalb der Schwärze Spiralen und Trichter bildeten, die auch Suko mittlerweile schon kannte.
»Ja, ich bin zufrieden«, erwiderte Suko, dem einfiel, daß er die Frage des Spuks noch nicht beantwortet hatte.
»Das freut mich.«
Suko schaute in die Wolke hinein. »Muß ich dir jetzt dankbar sein?«
»Was denkst du denn darüber?« fragte der Spuk gegen.
»Eigentlich ja.«
»Das wollte ich hören!« drang es dumpf aus der Wolke, die für Suko den früheren Schrecken verloren hatte.
»Und was soll ich für dich tun?« erkundigte sich der Chinese.
»Du wirst ja nichts ohne Gegenleistung machen.«
»Da hast du recht. Es ist nicht einmal viel«, erklärte der Dämon.
»Ich möchte nur, daß du mir etwas besorgst, an das ich so ohne weiteres nicht herankomme.«
Suko begann zu lachen, drückte sich zurück und drehte sich gegen
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