0355 - Die Bande der Nachzehrer
für nötig hielt.
Ich hatte meine Bedenken, daß er mit dem angespitzten Eichenpflock etwas erreichen würde und bat ihn deshalb anzuhalten.
»Was ist denn?«
Eine Ersatzberetta hatte ich aus London mitgebracht und drückte sie Marek in die Hand. »Hier, nimm sie.«
»Wieso?«
»Damit erreichst du mehr als mit deinem Pfahl. Denk daran, daß du keine Vampire vor dir hast.«
»Ja, stimmt.« Seine Augen leuchteten. »Kannst du mir die nicht überlassen?«
»Behalte sie.«
»Ich danke dir.« Marek steckte die Waffe hinter seinen Gürtel und klemmte den Pulloversaum hinter den Griff, so daß er die Pistole schnell ziehen konnte.
Anschließend gingen wir weiter. Der Pfähler erklärte mir, daß er bewußt einen Bogen geschlagen habe, um eventuelle Verfolger in die Irre zu leiten.
»Wieso?« fragte ich. »Rechnest du mit Verfolgern?«
»Die beiden Typen in der Lederjacke haben mir überhaupt nicht gefallen.«
»Das kann auch ein Irrtum sein«, erwiderte ich. »Sie haben schließlich bei mir im Zug gesessen.«
»Na und? Wann sind sie eingestiegen?«
»Eine Station vor Hacea, glaube ich.«
»Dann sind sie von hier aus dort hingefahren. Ich kenne sie nämlich, weil ich sie schon einmal in Hacea gesehen habe.«
»Kein Irrtum?« fragte ich.
»Nein.«
Die Sicherheit des Pfählers ließ mich nachdenklich werden.
Vielleicht hätte ich mich schon in der Gastwirtschaft näher mit den beiden Typen befassen sollen. Allerdings ging ich davon aus, daß sie uns bestimmt wieder über den Weg laufen würden.
Es wollte nicht richtig hell werden. Die Sonne hielt sich hinter einer dünnen Wolkendecke versteckt, falls sie überhaupt da war, und durch den Wald trieben an einigen Stellen noch Nebelschleier, die sich wie gespenstische Tücher um die Äste und Zweige der Bäume wanden.
Auch wir durchquerten mehrere dieser Nebelinseln, in denen das Schweigen noch tiefer lastete.
Wenig Unterholz hatte sich uns bisher in den Weg gestellt. Dies allerdings änderte sich, als wir über einen Graben hinwegsprangen und das dichte, auch im Winter noch grüne Farnkraut sahen. Zudem bildete das Gelände einen kleinen Hügel, und der Zeigefinger des Pfählers deutete dorthin.
»Da ist der Eingang.«
»Auf dem Hügel?«
»Nein, an der Seite, wo er sein Gefälle hat.« Marek hatte es plötzlich eilig und war noch vor mir im feuchten Farnkraut verschwunden. Er trampelte es nieder, bückte sich und entschwand meinen Blicken. Nach einer Sekunde hörte ich seinen Fluch.
»Was ist denn?«
»Verdammt, John, der Eingang ist zu.«
»Was?«
»Ja, komm her.«
Ich schaufelte ebenfalls das Farnkraut zur Seite und sah Marek schräg und in einer gebückten Haltung stehen. Er hatte einen Arm ausgestreckt. Seine Hand wies dorthin, wo sich der nachträglich geschaffene Eingang befand.
Erst jetzt fiel mir auf, daß wir uns ziemlich nahe am Ortsrand aufhalten mußten, denn ein leiser Stimmenwirrwarr drang an unsere Ohren. Dazwischen erklang hin und wieder eine Megaphonstimme, und wir hörten auch das helle Läuten der Weihnachtsglocken.
Dies alles nahm ich nur mehr im Unterbewußtsein wahr, während ich mir den viereckigen Stein anschaute, der das Grab verschloß.
»War der schon gestern hier?« fragte ich Marek.
»Nein, das sieht man doch. Er muß erst heute hergeschafft worden sein.«
Ich versuchte, den Stein anzuheben. Das gelang mir nicht, obwohl ich mich anstrengte.
Marek wollte ebenfalls nicht tatenlos zuschauen. Er bückte sich und half mir.
Auch zu zweit bekamen wir die Fels- oder Steinplatte nicht in die Höhe. Pustend gaben wir auf. Ich war sogar ins Schwitzen gekommen, so stark hatte ich mich angestrengt.
»Die verdammten Nachzehrer müssen Helfer gehabt haben«, erklärte Marek. »Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Sie selbst werden den Stein kaum davorgewälzt haben.«
»Und wer könnte auf ihrer Seite stehen? Fallen dir da Namen ein?«
»Möglich. Ich denke an unsere beiden Freunde in den schwarzen Lederjacken. Denen traue ich alles zu.«
»Fragt sich nur, was sie mit den Ghouls gemeinsam haben?«
»Wir könnten ja mit ihnen reden.«
Diesem Vorschlag stimmte ich zu, und wir beschlossen, uns auf den Rückweg zu machen.
Ich wollte schon gehen, sah aber, daß Marek stehengeblieben war.
Unnatürlich steif hatte er sich aufgebaut und dabei die Augen verengt.
»Was hast du?« fragte ich ihn.
»Ich rieche etwas.«
»Und was?«
»Komm mal her.«
Ich ging wieder zurück und bückte mich so wie zuvor Marek.
Es war
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