0355 - Die Bande der Nachzehrer
sehe, daß es unseren beiden Besuchern zu warm ist. Ich werde die Tür aufziehen.«
Damit würde er zumindest mir einen Gefallen tun. Ich rückte mit dem Stuhl ein wenig vor, damit er hinter mir vorbei und auf den Eingang zugehen konnte.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, daß ich so gehandelt hatte, später ist man ja immer klüger, jedenfalls hatte ich nicht mit dieser Hinterlist des Kerls gerechnet.
Er hatte mich schon fast passiert, als sein rechter Arm wuchtig nach unten sauste.
Mich traf der Hieb wie ein Fallbeil.
Zwischen Ohr und Schulter explodierte etwas. Ich sah das Blitzen der Sterne, die sich in einen wahren Glühregen verwandelten, und hatte das Gefühl, durch die Gegend zu schweben. Weit aus der Ferne vernahm ich noch ein Poltern, wollte den Arm heben, selbst dies schaffte ich nicht mehr, denn der zweite Treffer, fast an der gleichen Stelle, haute mich buchstäblich vom Stuhl.
Daß ich in die Tannenzweige fiel, spürte ich nicht mehr. Sie stachen in mein Gesicht, wollten es zerkratzen und mich wie dornige Arme umfangen, das alles kümmerte mich nicht. Ich hatte überhaupt keine Sorgen mehr. Die tiefe Bewußtlosigkeit hielt mich umfangen.
Auch Marek hatte mitbekommen, was sich da getan hatte. Er sah mich fallen und kam erst in diesem Augenblick dazu, sich von seiner Überraschung zu erholen und die ganze Wahrheit zu erkennen.
Natürlich wollte er eingreifen und in die Höhe springen. Es blieb beim Versuch, denn Marco schnellte vom Bett hoch. Plötzlich wirkte er nicht mehr müde.
Bevor Marek noch dazu kam, die Beretta zu ziehen, hatte ihn Marco schon mit der flachen Hand so hart erwischt, daß Frantisek mit dem Stuhl nach hinten kippte, aber nicht fiel, sondern von der Innenwand aufgehalten wurde und in dieser Schräglage blieb.
Als er zu treten versuchte, war Marco schneller. Mit der Handkante traf er das Bein, hörte Marek stöhnen und begann zu lachen.
Im nächsten Augenblick war er über dem alten Mann, hielt ihn an der Schulter fest und preßte ihn mit seinem Körper weiterhin in die Schräghaltung, so daß sich Frantisek nicht rühren konnte.
Einen Arm hatte Marco noch frei. Er winkelte ihn an, drehte die Hand und zog das Messer.
Noch war nur der Griff zu sehen. Das änderte sich einen Moment später, als auf Knopfdruck hin die dünne Klinge eines Stiletts hervorschoß und die Spitze nur eine Fingerbreite über Mareks Oberlippe zur Ruhe kam. »Ich schneide es dir auf, Alter!« versprach Marco. »Ich schneide dir das Gesicht von oben nach unten auf. Du weißt zu viel, du hast es gemerkt, aber wir lassen nicht mit uns spielen. Wir sorgen dafür, daß unser Fürst zurückkehrt. Das haben wir ihm versprochen…«
»Rede nicht soviel!« fuhr Stani seinen Bruder an.
»Wieso? Wir wollen doch…«
»Wir werden sie schon umlegen, aber anders. Jetzt müssen wir uns noch zusammenreißen.«
»Verdammt, wie lange soll ich das denn noch?«
»Keine Sorge, nur bis zum Abend. Dann herrscht der Betrieb, und es fällt nicht auf, daß die beiden Typen nicht mehr da sind. Wir wollen sowieso die Sache hier abfackeln.«
»Ja, nicht schlecht.« Marco begann hoch und hohl zu kichern.
»Und in der Zwischenzeit verkaufen wir Tannenbäume.«
»So ist es!«
Marek hatte den Dialog mit angehört. Unternehmen konnte er nichts, auch nicht, als Marco plötzlich einen Arm hob, die Spitze blitzschnell drehte, damit sie nach oben zeigte.
Die geschlossene Faust aber traf Marek an der Stirn.
Für den Pfähler gingen im nächsten Augenblick sämtliche Lichter aus…
***
So reingelegt worden war ich seit langem nicht mehr. Das hätte man schon als filmreife, klassische Falle bezeichnen können, in dem der Held etwas über den Schädel kriegt und damit erst einmal außer Gefecht gesetzt worden ist.
Und das waren wir tatsächlich.
Nicht allein, daß die Schmerzen in meinem Schädel wie wahnsinnig tobten, hinzu kam, daß es mir nicht gelang, mich zu bewegen, denn man hatte mich an Händen und Füßen gefesselt.
Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, jemand zu binden. Man konnte Stricke nehmen, Seile oder Nylonschnüre. Auch Heftpflaster eignete sich dafür. Damit hatten die Brüder nichts im Sinn gehabt und sich für eine andere Variante entschieden.
Draht.
Gemeiner, dünner Draht umspannte die Gelenke an den Händen und den Füßen.
Nicht genug damit. Damit wir auch schön ruhig blieben, hatte man uns noch geknebelt. Die Tücher waren hart in den Mund geschoben worden, so daß wir nur durch die Nase
Weitere Kostenlose Bücher