0355 - Die Bande der Nachzehrer
den Ofen fesselte.
Ich hörte auch Mareks hustendes Lachen, als er sagte: »Gut hast du das gemacht, John. Wenn er jetzt freikommen will, muß er den ganzen Ofen mitnehmen. Und das wird er kaum schaffen.«
Da hatte Marek recht. Genau von dieser Voraussetzung war ich auch ausgegangen.
Endlich kam ich dazu, mich um meinen rumänischen Freund zu kümmern. Ich nahm ihm gegenüber Platz und schaute ihn an. »Wie geht es dir, Partner?«
»Nicht gut.«
»Willst du hierbleiben?«
Marek schaute mich an, als hätte ich ihm ein unsittliches Angebot unterbreitet. »Bist du wahnsinnig, John? Jetzt, wo es zur Sache geht, soll ich kneifen? Nein, so gut geht es mir immer noch, das kann ich dir sagen. Ich werde dich begleiten, und wenn ich dabei meinen Kopf unter dem Arm tragen muß.«
»Einverstanden. Dann wisch dir aber zuvor das Blut aus dem Gesicht.«
»Klar.«
Während Marek mit einem Taschentuch die rote Flüssigkeit abtupfte, begann er zu berichten. Er war erst nach mir bewußtlos geworden und hatte die Worte des Zigeuners nicht vergessen.
***
»Die Waffen haben sie uns nicht genommen«, flüsterte er, »aber wir müssen uns trotzdem beeilen. Sie haben vor, sich mit den Nachzehrern in Verbindung zu setzen. Wahrscheinlich werden sie sogar diese Typen befreien wollen.«
»Haben sie gesagt, wie das vor sich gehen soll?«
»Nein, aber ich nehme an, daß sie den gleichen Weg gehen werden, den auch wir kennen.«
»Gut, dann dürfen wir wirklich keine Zeit mehr verlieren. Draußen ist es dunkel geworden, zudem schneit es. Ein ideales Weihnachtswetter, auch für Nachzehrer hervorragend.«
»Du sagst es, John.« Marek streckte mir einen Arm entgegen. Ich half ihm hoch.
Dicht vor mir blieb er stehen. Hart schaute er mich an. »Doch zuvor, John, holen wir uns den Kerl mit dem Messer. Ich verspreche dir, der wird keine Tannenbäume mehr verkaufen…«
***
Das Grab war frei!
Die Nachzehrer hielten sich zurück. Noch wollten sie achtgeben, ob nicht ein Feind in der Nähe lauerte, und sie blieben im unterirdischen Labyrinth des unheimlichen Friedhofs.
Draußen im Wald tat sich nichts. Niemand war da, der sie störte, kein fremdes Geräusch drang durch den Eingang. Es war die berühmte Ruhe vor dem Sturm.
Dann verließen sie ihre Gräber.
Seltsame Geräusche erfüllten den unterirdischen Friedhof.
Kratzen und Schaben. Dazwischen war ein widerliches Schlürfen zu hören, als würde dicker Sirup von einem gewaltigen Maul geschluckt. Auch das so typische Kratzen erklang, dann ein Stöhnen und Klatschen, als wären die Gestalten dabei, sich gegenseitig umzubringen.
Das stimmte nicht. Jeder von ihnen wollte nur so rasch wie möglich den Eingang erreichen, weil die Zeit ihrer Gefangenschaft einfach zu lange gedauert hatte.
Der erste Nachzehrer kam.
Aus der dunklen Öffnung erschien ein langer, schleimiger Arm, der eine ebenfalls schleimige Kralle besaß, die versuchte, sich in die Erde zu bohren. Die Finger durchbrachen das Laub, ertasteten den freien, nicht gefrorenen Boden, krallten sich fest, und so gelang es dem ersten Nachzehrer, ins Freie zu klettern.
Es war Zirka, der Anführer.
Aus dem immer dichter rieselnden Schnee schälte sich hinter dem Arm ein Gesicht hervor. Noch sah es so aus, wie von einem leichten Vorhang umgeben, je weiter Zirka das Grab verließ, um so deutlicher wurde das Gesicht.
Eine furchtbare Fratze!
Kaum zu beschreiben, denn die Proportionen waren verschoben.
Aufgedunsen die Haut, die an manchen Stellen mit dicken Schleimtropfen versehen war. Glotzende Augen, die von einer im Kopf lauernden Kraft nach vorn gedrückt worden waren.
Um die Länge eines Fingers waren sie aus den Höhlen gedrungen und wirkten wie hellgraue Kugeln, in deren Mitte die Pupillen als weiße Flecken standen.
Die Gestalt war sehr groß. Besonders fielen die breiten, knochig wirkenden Schultern auf, die langen, gorillaähnlichen Greifarme und die schräg stehenden Füße, die an die eines Menschen erinnerten, der Schwimmflossen trug.
Das Bild des Grauens, voller Ekel und Widerwärtigkeit.
Zirka hatte die Gruft verlassen. Er richtete sich auf, und seine Größe überragte den Wuchs eines normalen Menschen.
Schnuppernd bewegte er seinen häßlichen Schädel. Er drehte ihn von einer Seite auf die andere, die Glotzaugen schauten in den Wald, der von einem dichten Schneevorhang durchzogen wurde, und der scheußliche Geruch, den der Nachzehrer wie ein Ghoul verströmte, wehte ihm ein Stück voraus.
Er ging weiter.
Nach
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