0355 - Die Bande der Nachzehrer
wenigen Schritten blieb er stehen und drehte sich wieder um. Sein Blick fiel auf die Graböffnung, die mit zahlreichen, widerlichen Gesichtern angefüllt war.
Schreckliche Fratzen, zwar verschieden, im Prinzip jedoch gleich.
Sie starrten auf ihren Anführer, der seine Hand ruckartig bewegte und ihnen somit ein Zeichen gab.
Sie kamen.
Es geschah lautlos, wie sie sich aus der Öffnung schoben. Unter ihren Körpern hatte sich ein Schmierfilm gebildet, der dafür sorgte, daß sich die schlimmen Geschöpfe so relativ leicht bewegen konnten.
Fünf waren es, die den unterirdischen Friedhof nach ihrem Anführer verlassen hatten.
Sie gruppierten sich um Zirka, waren alle kleiner als er, zudem hatte er noch den Kopf erhoben und ihn in die Richtung gedreht, in der der Weihnachtsmarkt lag.
Weihnachtsglocken bimmelten, hinzu kamen die Stimmen der Besucher. Auch von dem so typischen Weihnachtsmarktduft bekamen sie noch etwas mit.
Er war allerdings nur schwach wahrzunehmen, denn der Leichengestank überdeckte alles.
Zirka hob einen Arm und streckte einen schleimigen Finger aus.
Er deutete in Richtung Markt. Dort waren die Menschen, da bewegten sich die ahnungslosen Opfer.
Die fünf anderen Nachzehrer hatten das Zeichen verstanden. In breiter Front bewegten sie sich auf ihr Ziel zu…
***
Marco war wieder an den Verkaufsstand zurückgekehrt, hatte sich in eine Ecke gestellt und eine Flasche mit Selbstgebranntem Schnaps aus der Jackentasche geholt. Die ersten Schlucke hatte er bereits genommen und auch die Wärme gespürt, die sich in seinem Magen allmählich wohlig ausbreitete und ihm ein gutes Gefühl gab. Bisher hatte alles zu seiner Zufriedenheit geklappt. Marco sah keinen Grund dafür, daß es auch in Zukunft nicht so weiterlaufen sollte.
Was er dazu beitragen konnte, würde er schon machen. Um den Verkauf brauchte er sich nicht zu kümmern, das besorgte der Helfer, der bereits ein Drittel der vorhandenen Bäume an den Mann oder die Frau gebracht hatte.
Im Moment war kein Kunde da, und der Junge kam auf Marco zu.
Er rieb seine klammen Hände und hauchte hinein. Über sein Gesicht lief ein Grinsen. Die Pudelmütze zeigte eine Schneehaube.
»Willst du auch einen Schluck?« fragte Marco.
»Danke, gern.« Der Junge nahm Marco die Flasche aus der Hand und trank kräftig. Trotz seiner vierzehn Jahre war er es schon gewohnt, Schnaps zu trinken. Er hustete auch nicht und reichte Marco souverän die Flasche zurück.
»Es läuft«, sagte er.
Marco grinste. »Gut.« Er griff in die Tasche und holte einen größeren Geldschein hervor. »Der ist für dich.«
Der Junge starrte beinahe andächtig auf das Papier. Er wollte es kaum glauben. »So viel?«
»Der Schein hat noch Junge«, erklärte Marco. »Sieh mal zu, daß du heute noch einmal soviel verkaufst.«
»Das schaffe ich schon.«
»Ich würde es dir wünschen.«
Neue Kunden erschienen. Der Junge entdeckte sie, ging auf das Ehepaar zu und erkundigte sich nach ihren Wünschen.
Marco drehte sich ab. Er wollte mit dem Verkauf nichts zu tun haben und ärgerte sich, daß sein Bruder noch nicht zurückgekehrt war. Die beiden zu bedienen, konnte doch nicht so lange dauern, und allmählich wurde der Mann unruhig.
Marco wurde nervös…
Er leckte ein paarmal über seine Lippen. Ein Zeichen, wie sehr er sich in der Klemme fühlte. Er blieb auch nicht mehr auf seinem Platz stehen, ging zum Eingang des abgesteckten Areals und schaute dorthin, wo ein schmaler Weg zu den Wohnwagen führte.
Die dünnen, wirbelnden, tanzenden Flocken nahmen ihm einen Großteil der Sicht. Wenn jemand kam, würde er ihn nur im letzten Augenblick erkennen können, und es sah nicht so aus, als hätte sein Bruder den Wohnwagen verlassen.
Noch einmal dachte Marco über die den Typen nach. Der Alte und der Blonde waren so gut gefesselt, daß es ihnen unmöglich sein mußte, sich aus eigener Kraft zu befreien. Schreien konnten sie nicht, in den Wohnwagen ging auch kein Fremder, so war es für Marco ein Rätsel, daß sein Bruder noch immer nicht zurückgekehrt war.
Er mußte den Weg freimachen, weil das Ehepaar mit einem gekauften Tannbaum abzog. Dann kam der Helfer.
»Was ist denn?« fragte Marco unwirsch.
»Ich müßte mal zum Klo.«
»Ja, geh.«
»Okay, in zehn Minuten bin ich wieder da. Dann geht es weiter.«
Er grinste Optimistisch und verschwand.
Marco blieb zurück. Allmählich spürte die Kälte. Er ging einige Schritte zur Seite auf dem Schneeboden herum.
Er mochte den Schnee nicht.
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