0356 - Am Schleppseil hing der Tod
war. Der Raum hatte keine Fenster, deshalb brannte um diese Tageszeit das Licht.
Ich kniff die Augen zusammen und fragte: »Bist du Point B?«
»So nennt man mich. Aber die Fragen stelle ich hier, nicht du!«
Seine Stimme war eiskalt.
»Ich bin Tim Haller«, sagte ich folgsam wie ein gutmütiger Junge, der alle Menschen für Engel hält.
Mr. Point B sah erstaunlich gut aus. Als Filmstar hätte er, wenn er das Zeug zum richtigen Schauspieler besäße, gewiss eine steile Karriere gemacht.
Der Boss genehmigte sich einen Whisky.
»Darf ich auch einen«, fragte ich leichthin.
»Bist du wahnsinnig geworden?« Ben Fee stieß mir kräftig in die Seite.
»Warum?«, fragte ich harmlos.
Der Boss der Bande kam auf mich zu, zog blitzschnell eine Webster Sechsacht und hielt sie auf meinen Magen.
»Steck die Pfoten hoch, mein Junge.«
Seine Stimme sank noch um einige Grad tiefer.
Ich saß in der Falle. Aber wie hätte ich sonst den Boss der Gang kennenlernen können?
»Los, Ben, nimm ihm die Pistole ab. Du hast einen ausgewachsenen Spitzel vor dir. Durchsuche auch seine Taschen. Dreh sie um, bevor wir ihn selbst umdrehen.«
Während Fee sich mit mir in sehr harter Art beschäftigte und ich Muße hatte, in das schwarze Mündungsloch von Point B’s Pistole zu sehen, sagte ich »An Ihrer Stelle, Mr. Point B, würde ich vorsichtig sein! Ich bin nicht Tim Haller, sondern Jerry Cotton vom FBI New York. Mister, Sie haben ausgespielt. Draußen warten meine Freunde, die Ihnen allerhand erzählen werden, wenn ich in einer Viertelstunde Ihre gastliche Scheune nicht wieder gesund und munter verlassen habe.«
Der Gangsterboss wich unwillkürlich zwei Schritte zurück und wurde bleich. Ben Fee hielt im Durchsuchen inne und trat auch einen Schritt zurück.
Diesen Moment nutzte ich aus. Ich traf Fee mit einem harten Schwinger. Bevor der Bursche einen angedeuteten Purzelbaum schlug, pfiff mir bereits eine Kugel am linken Ohr vorbei.
Der Boss rief: »Heb die Hände, Cop, sonst siehst du deinen Freund nicht mehr, der bald kommen wird, um dich für die große Reise fertigzumachen. Ich möchte mir nicht die Finger an dir schmutzig machen.«
Was blieb mir anderes übrig, als die Hände zu heben.
Der Gangsterboss ging, ohne mich aus den Augen zu lassen, zu Fee hinüber und trat ihn unsanft in die Seite.
»Steh auf, Ben. Sag den Leuten Bescheid. Sie sollen mit Handgranaten und Tommy Guns arbeiten. Erledigt die Cops draußen, aber schnell. Das bisschen Geknalle fällt in dieser Gegend sowieso nicht auf. Den G-man halte ich solange in Schach. Wenn ihr mit den Burschen draußen fertig seid, soll Sloopey reinkommen und Cotton übernehmen, bis er von dem abgelöst wird, der sich mit diesem Cop noch unterhalten will.«
»Übernehmt euch nicht«, warf ich gelassen ein, »denn die Jungs da draußen verstehen ihren Job.«
Obwohl ich sehr selbstbewusst daher sprach, war mir nicht gerade wohl zumute. Falls ich noch etwas frecher werden sollte, würde der Gangsterboss wahrscheinlich die Ankunft meines mysteriösen Freundes gar nicht erst abwarten.
Dennoch wagte ich die Frage: »Heißt mein Freund etwa Loy?«
Der Boss vor mir grinste: »Lass dich überraschen. Du wirst dir bald wünschen, ihn nie kennengelernt zu haben!«
***
Mary Lane und Loy erreichten Orchard Beach. Niemand hatte Loy erkannt. In einer Telefonzelle suchte Loy nach einem Autoverleih. Aber den gab es in Orchard Beach nicht.
»Komm, wir gehen zum Highway zu einer Tankstelle«, entschied er.
»Und was willst du da, etwa selber tanken?«, meinte Mary bissig.
»Schone dich«, knurrte er. »Wir suchen uns dort jeder einen Fahrer, der uns mitnimmt. Du fährst zu Clarke zurück und ich nach Boston. Ist das klar?«
Mary nickte stumm und ging mit ihm.
Die beiden brauchten an der Tankstelle nur knapp dreißig Minuten zu warten. Mary bekam einen Kaufmann mit einem Oldsmobile und Loy einen 60 harmlosen Vertreter mit einem deutschen VW. Der Gangster frohlockte, denn in diesem Wagen vermutete auch der misstrauischste Cop keinen Gangster.
Die Fahrt bis zur Brücke über den Lony Island Sound kalkulierte Loy auf etwa zehn Minuten.
Der Vertreter war ein munterer Plauderer. Er fragte innerhalb von drei Minuten mehr aus Loy heraus, als der Gangster lügen konnte. Als der Wagen auf die Brücke rollte, wartete Loy so lange, bis er von vorn und von hinten keinen Wagen sah. Dann rief er jammernd »Schnell, stoppen Sie, mir wird übel!«
Der harmlose Vertreter sah erschrocken zur Seite und
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