0356 - Am Schleppseil hing der Tod
bereits nicht mehr sehen, G-man.«
»Der Himmel ist bedeckt, es scheint gar keine Sonne«, sagte ich lässig. »Du wirst sie das nächste Mal bestenfalls aus einem Zellenfenster sehen, falls du nicht vorher…«
Der Gangster fauchte mich an: »Nach dir, du elender Spitzel!«
Ich sah den Boss unbewegt an: »Dir ist doch wohl klar, dass dein Freund Loy nicht mehr bis hierher durchbrechen kann.«
»Und dir ist nicht klar, dass ich hier in meinen Hallen etwa 40 Mann schwer bewaffnete Freunde habe, die 62 mit der ganzen Polizei von Boston und Umgebung aufräumen können. Was will dein armseliger Haufen da draußen? Pass auf, in wenigen Minuten weißt du Bescheid. Wenn Loy bis dahin nicht hier ist, wird sich Sloopey mit dir beschäftigen.«
Sloopey kam in den Raum und hielt einen Colt in der Hand, um den ihn jeder Western-Filmheld beneidet hätte. Er hatte die letzten Worte gehört und meinte gelassen: »Boss, ich glaube, ich mache mich sofort an die Arbeit.«
Aber der wehrte ab: »Nein, er soll erst noch seine Freunde draußen sehen. Wir legen ihn dann einfach dazu.«
In seine letzten Worte hinein prasselten plötzlich Salven, deren Einschläge in den Hallenwänden landeten. Das hörte ich genau. Die beiden schraken sichtlich zusammen.
»Boss, die Cops scheinen Verstärkung bekommen zu haben!«, schrie Sloopey.
»Meinst du, wir hätten diese Entwicklung nicht vorausgesehen?«, warf ich ironisch ein. »Wartet nur!« Die Tür wurde aufgerissen. Herein stürmte der junge Ben Fee. Er schien einen Streifschuss abbekommen zu haben, denn an seiner rechten Schläfe sickerte Blut.
»Boss, die Cops haben uns umzingelt. Wir haben keine Chance mehr. Wir müssen raus hier.« Fee war so blind vor Angst, dass er mir genau vor die Füße stolperte. Ich entriss ihm mit der Rechten die Maschinenpistole, während ich ihn mit der Linken festhielt.
In diesem Augenblick trat mich Fee vors Schienbein. Ich zuckte zur Seite und warf den Burschen dann mit einem kräftigen Ruck zu Boden. Das alles passierte in Sekundenschnelle. Dem Tritt von Fee hatte ich wahrscheinlich mein Leben zu verdanken, denn der Gangsterboss schoss zwar, aber er verfehlte mich. Bevor ich mich aber aufrichten konnte, war er schon durch die von Fee offen gelassene Tür verschwunden. Ben Fee wollte sich erneut auf mich stürzen, aber ehe er richtig reagieren konnte, hatte ich den Gangster mit dem Kolben der Waffe erwischt. Ben blieb besinnungslos liegen.
***
Ich hastete in die Halle. Sie war stockdunkel. Die Leute des Gangsters hatten sich draußen getarnt. Das stellte ich an den Schüssen fest, die sich jetzt nicht mehr auf die Halle konzentrierten. Der Kampf spielte sich ausschließlich draußen ab.
Meine Linke ertastete einen Lichtschalter. Der vordere Teil der Halle war erleuchtet. Es dauerte rund zehn Sekunden, bis ich mich an das grelle Licht einigermaßen gewöhnt hatte. Vorsorglich duckte ich mich hinter einen Stapel von Kisten. Dass der Gangsterboss noch in der Halle war, sollte ich kurz darauf am eigenen Leib spüren. Zusammen mit dem Pistolenknall empfand ich einen brennenden Schmerz am linken Oberarm. Aber ich konnte alle Glieder bewegen. Also war es nur ein Streifschuss.
Der nächste Schuss ging ein Yard an mir vorbei. Mein Gegner war anscheinend nervös geworden. Deshalb streute ich eine Garbe in die Richtung des Abschusses.
Als Antwort kam ein höhnisches Gelächter.
»Gib auf, Cotton, du kommst hier sowieso nicht mehr raus.« Ich antwortete nicht.
Plötzlich wurde eine Außentür aufgerissen. Diese Gelegenheit musste ich ausnutzen. Blitzschnell sprang ich auf, griff nach dem Lichtschalter und knipste die Beleuchtung aus.
Dann kroch ich auf allen vieren zur Tür des Büros und schlug sie hinter mir zu. Kaum hatte ich den Schlüssel umgedreht, da knallte bereits eine Serie gegen das Türschloss. Zum Glück befand ich mich außerhalb der Schusslinie. Eine Maschinenpistolensalve streute von links nach rechts durch den Raum. Ich stand im toten Winkel.
»Cotton, komm raus, es ist endgültig aus mit dir!« Das war die Stimme vom Point B-Boss. Aber sie klang bereits unsicher.
Ich antwortete nicht. Eine laute Lautsprecherstimme erklang.
»Point B, befehlen Sie dem Rest Ihrer Leute, die Waffen fortzuwerfen, herauszukommen und sich zu ergeben. Lassen Sie G-man Cotton frei. Er soll als erster hinauskommen!«
Nachdem diese Aufforderung dreimal durch den Lautsprecher gegeben worden war, herrschte vor der Tür des Büros Stille.
Plötzlich die Stimme
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