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0356 - Die Frau, die zweimal starb

0356 - Die Frau, die zweimal starb

Titel: 0356 - Die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nickend nach vorn. Wir gingen weiter, und je mehr wir uns dem Ziel näherten, um so gespannter wurde ich. Hatte sich der Lokführer getäuscht, würde er es schwer haben, die Notbremsung zu erklären.
    Hatte er sich nicht getäuscht, war ich gespannt, wie das Monster wohl aussah.
    Eine Mischung zwischen Vogel und Mensch?
    Schwer vorzustellen, aber ich hatte erlebt, daß eigentlich nichts unmöglich war.
    Wir passierten den ersten Wagen hinter der Lok, erreichten sie, und ich fragte nach dem Heizer, den es ja auch noch geben mußte.
    »Der ist unglücklich gefallen und liegt im Führerhaus«, erklärte mir der Lokführer.
    Das reichte aus. Ich drängte mich an dem Mann vorbei, weil ich unbedingt das Monster sehen wollte. Sollte es sich bei ihm tatsächlich um einen Schwarzblütler gehandelt haben, konnte es auch ein fahrender Zug nicht vernichten.
    Ich hatte richtig getippt.
    Es stand noch da, wartete auf uns und hielt sich genau zwischen den beiden Gleissträngen auf.
    Perplex blieb ich stehen. Der Lokführer hatte sich nicht getäuscht.
    Das war tatsächlich eine Mischung aus Mensch und Vogel. Aus einer bestimmten Vogelart sogar. Einer Art, die mir sehr wohl bekannt war.
    Es war der Kopf eines gewaltigen Adlers.
    Und damit wußte ich auch den Namen des Monsters.
    Vor mir sah ich Garuda!
    ***
    Gabriela di Fanti schüttelte den Kopf. Auch nach der Pause war es ihr nicht gelungen, zur alten, so von der Fachpresse hochgelobten Form zurückzufinden. Sie begann so schlecht, wie sie auch aufgehört hatte, und das war von dem Publikum auch gehört worden.
    Unruhe breitete sich unter den Zuhörern aus. Man gab flüsternd einige Kommentare ab, die Gabriela zwar nicht verstand, jedoch sehr deutlich merkte, daß über sie gesprochen und sie auch hart kritisiert wurde. Sicherer machte sie das gerade nicht, und es kamen zu den alten Fehlern noch einige neue hinzu.
    Sie hatte das Gefühl, auf einer glühenden Platte zu sitzen und nicht auf einem der so bequemen Hocker, den sie sich schließlich ausgesucht hatte.
    Auch glaubte sie, in einem Vakuum zu spielen, um sie herum schien alles leer zu sein, und sie fühlte sich als der Mittelpunkt dieser Leere. Sie schaute auf die Noten, spielte sie ohne Gefühl herunter, ohne Engagement und bewegte ihre zehn Finger rein mechanisch.
    Sie hörte, was sie spielte, und sie entnahm den Klängen, daß einiges daran falsch war.
    Es war ihr egal, denn die Gedanken der Gabriela di Fanti befanden sich ganz woanders, nicht beim Spiel, auf das sie sich eigentlich hätte konzentrieren müssen.
    Aber konnte man das nach dem Besuch, den sie bekommen hatte?
    Diesen Fremden, der sie von einer Person hatte grüßen lassen, die einmal ihr Mörder gewesen war?
    Ihr Mörder…
    Und er lebte noch. Er hatte die lange Zeit überstanden, ebenso wie sie, die sie jetzt nicht mehr die gleiche war, aber in einem anderen Körper steckte, vor einem Flügel saß und spielte.
    Sie hörte die Musik und sah die Bilder vor sich. Noten verschwammen, wurden zu skurrilen Gebilden, die sich zu Figuren formten und ein geisterhaftes Aussehen bekamen, ähnlich wie das der Wesen, die im alten Atlantis gelebt hatten.
    Sie sah Figuren, sie sah Menschen, Tiere, die nicht in die Zeit paßten, in der sie existierte.
    Gabrielas Blick glitt in die Ferne, als würde sie in die tiefe Vergangenheit schauen können. Sie saß auf ihrem Hocker, schaukelte von einer Seite auf die andere, spielte dabei weiter und hatte das Gefühl, sich auf einem Schiff zu befinden, das mit ihr über ein Meer aus goldenem Wasser fuhr.
    Es war alles so fremd, so seltsam und unnatürlich. Die Musik kam ihr plötzlich schrill vor, mißtönend und völlig anders als die, die sie hatte spielen wollen.
    »Hören Sie doch auf, Mädchen! Es hat keinen Sinn!«
    Es war eine Stimme, die Gabrielas Gedanken durchbrach. Jemand aus der ersten Reihe hatte gesprochen, war von seinem Sitz aufgestanden und deutete mit dem Finger auf die Pianistin. »Sie wollen uns doch nicht erzählen, daß das perfekt gespielt ist, was Sie da gebracht haben. Das macht ja mein Sohn besser.«
    Gabriela di Fanti hatte tatsächlich aufgehört. Sie saß für einen Moment in ihrer vorgebeugten Haltung da, starrte auf das Muster der Klaviertasten, um sich danach langsam nach rechts zu drehen, damit sie den Sprecher anschauen konnte.
    Der war noch immer stehengeblieben. Er hatte sich zum Vorredner aller anderen gemacht, die auf die Antwort der Pianistin lauerten.
    Gabriela die Fanti saß erhöht und

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