0356 - Die Frau, die zweimal starb
Bill hob eine Hand. »Willst du im Ernst behaupten, daß Myxin seine Tat wiederholen könnte?«
»Das habe ich nicht gesagt. Jedenfalls scheint die Erwähnung seines Namens die Pianistin durcheinandergebracht zu haben. Daß sie das Konzert abgebrochen hat, daran bist du, Bill, nicht ganz schuldlos.«
In der Nähe wurden die ersten Wagen gestartet. Weiße Auspuffwolken verteilten sich in der Luft und trieben auch über die Dächer der Fahrzeuge. Bill und Sheila blieben sitzen. Sie warteten auf die Freunde und hofften, daß sie früh genug eintrafen.
»Ob Gabriela di Fanti vielleicht das Theater schon verlassen hat?« fragte Sheila leise.
»Das wäre nicht gut.«
»Eben. Wie können wir das erfahren?«
»Sie wird bestimmt nicht durch den Hauptausgang erscheinen.«
Bill schaute seine Frau an. »Los, Sheila, machen wir kurzen Prozeß! Einen Weg kennen wir. Den werden wir nehmen und lassen für die anderen einen Zettel zurück, auf dem steht, wo wir zu finden sind, nebst einer kurzen Wegbeschreibung.«
»Ja, die Idee ist gut«, pflichtete Sheila ihrem Mann bei und begann damit, sie sofort in die Tat umzusetzen…
***
Die Blicke der beiden Männer waren kalt wie Gletschereis, als sie Gabriela trafen.
Und die junge Pianistin spürte, wie ihr Herz rasend schnell klopfte. Die Angst überkam sie wogenartig. Sie hatte große Mühe, die Fassung zu bewahren und ging mit kleinen, zögernden Schritten näher, bis sie fast den Hocker erreicht hatte.
»Du darfst dich setzen!«
Der Mann, der gesprochen hatte, hieß Sorrow. Mehr wußte sie nicht von ihm. Er war auch der Anführer der beiden und sehr schnell mit der Waffe zur Hand. Sorrow und Klakev begleiteten die Pianistin bei ihren Tourneen, und sie hatten die Frau in der Hand.
»Du gefällst uns nicht«, sagte er.
Gabriela nickte. »Das weiß ich. Aber ich kann daran nichts ändern. Tut mir leid. Ich fühle mich schlecht.« Ihre Blicke wanderten zwischen den beiden Männern hin und her.
»Hängt das mit dem Besuch zusammen?« fragte Klekev.
»Welcher Besuch?«
Die beiden Männer grinsten kalt. »Tu nicht so, Gabriela. Du hattest Besuch bekommen. Vor dem Konzert. Ein gewisser Conolly. Er ist Reporter und hat dir sicherlich einige Fragen gestellt, die dich so durcheinander gebracht haben müssen, daß du…«
»Nein, nein, nein, so war es nicht!« unterbrach Gabriela den Sprecher. »Er wollte nur mit mir reden, aber ich habe ihn…«
»Du hast ihm Antworten gegeben!«
»Ja, das stimmt.« Gabriela wußte, daß es keinen Sinn hatte, die beiden Männer anzulügen. »Aber diese Antworten haben nichts mit dem zu tun, was ihr hier…«
»Sei ruhig und komm zur Sache.« Sorrow blieb gelassen. »Wir sind hier allein. Ein Mord auf der Bühne würde uns nicht schrecken. Ich will dir etwas sagen. Nicht umsonst haben wir dich gesponsert und dir eine Tarnexistenz aufgebaut. Du verdankst uns alles, sogar deinen italienischen Namen, wobei du tatsächlich Konski heißt. Du müßtest uns dankbar sein, Gabriela.«
»Die Dankbarkeit habe ich euch bewiesen.«
»Natürlich. Hin und wieder, aber das ist es nicht, was wir wollten. Wir sind in England. Du wirst bald vor einem hohen Publikum spielen. Einige wichtige Politiker werden unter den Gästen sein. Man wird dich einladen, und dann kommt deine große Stunde. Du bist vorbereitet worden, für deine Versorgung ist gesorgt. Man hat dir eine Datscha am Schwarzen Meer hingestellt, deinen Eltern geht es gut, und du hast es inder Hand, daß dies auch so bleibt.«
Sie nickte, war noch bleicher geworden und schaute die beiden Männer an. »Ich wußte«, flüsterte sie, »daß der KGB der mieseste und dreckigste Geheimdienst der Welt ist. Noch schmieriger als die CIA, aber ich sehe nicht ein, daß ich mein Leben für euch hingebe. Ich habe euch einmal berichtet, daß ich nicht die bin, für die ihr mich haltet. Das sollte euch mittlerweile klargeworden sein.«
»Wir wissen, daß du nicht Gabriela di Fanti heißt.«
»Unsinn. Das hat damit nichts zu tun! Was ist eure läppische Tarnexistenz schon gegen das, was ich hinter mir habe? Ich lebe zum zweitenmal, und ich merke, daß auch diese Lebensuhr allmählich abgelaufen ist. Man hat mich schon einmal ermordet, ich wurde zum zweitenmal geboren, und ich werde immer wieder geboren werden. Das ist ein Kreislauf, ein Rad des Schicksals, das sich innerhalb der Zeiten dreht. Und niemand, auch ihr nicht, kann diesem Schicksal entgehen. Kräfte, die längst in Vergessenheit geraten sind, Mächte,
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