0357 - Die Bestie mit den Mandelaugen
drängte auf die schnelle Abreise. Dorothy hätte viel lieber noch einige Geschäfte abgewickelt. Sie ließ sich aber davon überzeugen, dass das vorhandene Betriebskapital auch nicht zu verachten war und sie für eine lange Zeit über Wasser halten würde. Und in Rio konnte man das Geschäft von Neuem beginnen.
Sie ging unruhig im Zimmer auf und ab. Die letzten Tage hatten ihr wirklich zugesetzt. Sie blieb vor dem Fenster stehen. Wenn sie dicht an die Scheibe herantrat, konnte sie das Leben unten auf der Straße beobachten. Aber nichts schien dort unten anders zu sein als sonst.
Dann sah sie zwei Männer, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite betont unauffällig die Straße entlang kamen. Sie hielt den Atem an und spähte angestrengt hinaus. Irgendetwas warnte sie. Sie begann die Straße genauer zu beobachten. Die zwei Männer verschwanden in dem gegenüberliegenden Haus. Als die Männer wieder auf die Straße traten, wurde ihr Verdacht zur Gewissheit. Diese Männer waren keine harmlosen Passanten. Ihr Instinkt sagte ihr, dass ihr von diesen Männern Gefahr drohte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die auf kommende Panikstimmung überwunden hatte. Sie machte sich keine falschen Hoffnungen. Die Männer waren ihretwegen in diese Gegend gekommen.
Mit schnellen Griffen durchsuchte sie einen kleinen Wandschrank, entnahm ihm einige Papiere und steckte sie in ihre Handtasche. Dann sah sie noch einmal in allen Schubfächern nach. Sie lief wieder ans Fenster. Die Männer waren verschwunden.
Dorothy horchte nach draußen. Sie glaubte, Schritte gehört zu haben. Aber ihre überreizten Nerven hatten sie getäuscht.
Bevor sie die Wohnung verließ, entnahm sie ihrer Tasche einen kleinen verzierten Revolver. Sie prüfte das Magazin und schob die Waffe in die Manteltasche. Dann warf sie noch einen letzten Blick in das Zimmer und schloss hinter sich die Tür. Im Flur blieb sie einen Augenblick unschlüssig stehen.
Wohin sollte sie sich wenden? Sicher würde sie auf der Straße nur wenige Schritte weit kommen. Die Schnüffler würden bestimmt jeden einzelnen Yard auf der Straße unter Kontrolle haben.
Plötzlich blitzte es in ihren kalten Augen. Sie hatte einen Ausweg gefunden. Vielleicht würde sie damit den Cops ein Schnippchen schlagen können. Als sie an die verblüfften Gesichter der Cops dachte, die ihre leere Wohnung vorfinden würden, konnte sie sich ein hämisches Lächeln nicht verkneifen.
***
Catherine Bullborough war eine kleine zierliche Dame, der man ihre siebzig Jahre noch keinesfalls ansah. Ihr weißes, eng anliegendes Haar gab ihrem Gesicht einen weichen, mütterlichen Eindruck.
Mrs. Bullborough lebte seit dem Tode ihres Mannes allein in ihrer bescheiden eingerichteten Wohnung.
So sah Catherine Bullborough erstaunt auf, als sie die Klingel hörte. Kopfschüttelnd erhob sie sich aus ihrem Sessel und ging zur Tür. Umständlich löste sie die Sperrkette und zog die Tür auf.
Die Frau, die sie nun vor sich sah, kam ihr bekannt vor. Sie hatte jedoch keine Zeit, darüber noch länger nachzudenken. Sie wurde beiseitegeschoben, und die Frau betrat ihre Wohnung.
»Schließen Sie die Tür und verhalten Sie sich ruhig!«
Mrs. Bullborough starrte verblüfft auf die Frau. Erst nach einer Weile hatte sie sich gefasst.
»Darf ich vielleicht erfahren, was Sie hier wollen? Verlassen Sie also sofort meine Wohnung.«
Die Stimme der alten Dame klang so energisch, wie man es ihr niemals zugetraut hätte. Aber Dorothy Simmons, die ungebetene Besucherin, hatte für den Zornesausbruch von Mrs. Bullborough nur ein geringschätziges Lächeln.
»Damit wir uns richtig verstehen, Oma, für die nächste Zeit übernehme ich hier das Kommando, verstanden?«
»Jetzt habe ich aber genug«, schrie Mrs. Bullborpugh erregt, »wenn Sie nicht sofort hier verschwinden, werde ich die Polizei rufen.«
In das Gesicht der Gangster-Chefin trat ein gefährliches Lächeln, Sie ging mit langsamen Schritten auf die alte Frau zu. Ihre Augen bohrten sich in das Gesicht Mrs. Bullboroughs.
»Sieh, was ich hier habe«, sagte Dorothy, und ihre Hand fuhr in die Manteltasche und zog den Revolver heraus, »das wird für Ruhe sorgen.«
»Was wollen Sie von mir? Was habe ich Ihnen getan?«
Die Stimme Mrs. Bullboroughs bebte vor verhaltenem Schluchzen. Die Drohungen ihrer Besucherin waren ihr in die Glieder gefahren.
»Getan haben Sie mir überhaupt nichts«, antwortete Dorothy mit einer verächtlichen Handbewegung, »und was ich von Ihnen
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