0357 - Die Treppe der Qualen
das Menschen fürchteten wie die Pest.
»Ist es Kataya?« wollte ich wissen.
Nach dieser Frage veränderte sich sein Gesicht. Urplötzlich zeigte es ein starkes Erschrecken. Der Ausdruck verschwand allerdings sehr schnell und machte einem anderen Platz.
Der reinen Angst!
Noch nie zuvor hatte ich bei Mandra Korab diese Furcht gesehen.
Wie eingemeißelt stand das Gefühl in seinem Gesicht zu lesen und verschonte auch die Augen nicht. Sein Blick flackerte, und ich hatte das Gefühl, als würde die Angst heiße Wellen über seinen Körper rieseln lassen.
»Sage es nicht noch einmal«, warnte mich Mandra. »Tu dir und mir den Gefallen…«
»Ist es denn das, vor dem du dich fürchtest?« hakte ich nach.
»Ja, das ist es.«
Ich schüttelte den Kopf. »Okay, Mandra, ich weiß, wie mächtig es ist, da ich es selbst erlebt habe. Aber ich weiß auch, daß ich noch niemals zuvor vor einem Gegner gekniffen habe. Auch nicht vor den Großen Alten, die ich mit starker Unterstützung meiner Freunde besiegen konnte. Deshalb werde ich mich auch vor Kataya…«
»Nicht den Namen!« verlangte Mandra.
»Weshalb nicht?«
»Du lockst es her.«
»Das will ich, wenn ich dich dadurch aus der Planke befreien kann. Du mußt die üblichen Maßstäbe vergessen, Mandra. Wir befinden uns auf einer Insel, die uralt ist. Man kann sie als ein Stück Atlantis bezeichnen. Damals haben andere Kräfte geherrscht, da waren die Mächte der Magie noch vielfältiger als heute. Es gab dort verschiedene Magien, nicht nur die eine, deren Namen ich nicht aussprechen soll. Verstehst du das? Es kann hier nicht so mächtig sein.«
»Das Böse ist immer stark.«
»Es stimmt schon, aber es kann auch durch andere Kräfte gebremst oder behindert werden, wenn du verstehst.«
»Ich weiß es nicht!« hauchte Mandra. »Ich weiß es wirklich nicht, ob das alles stimmt.«
»Wir müssen es versuchen.«
»Und wie?«
Es war eine Frage, die mir Hoffnung gab. Da Mandra sie gestellt hatte, war er auch bereit, auf einige meiner Pläne einzugehen. Er würde sich nicht dagegen wehren, wenn ich meine eigenen Methoden zu seiner Befreiung entwickelte, wobei ich den Begriff Kataya vorerst aus dem Spiel lassen wollte.
»Du weißt, wie ich hergekommen bin?«
»Ja, ich erlebte den Adler.«
»Das ist wunderbar, mein Lieber. Garuda hat uns nicht nur hergeschafft, sondern mir einige Dinge verraten, die für deine Befreiung sehr wichtig sind. Hast du auch zugehört?«
»Das habe ich.«
»Dann wirst du dich daran erinnern, daß Garuda von der Qualentreppe gesprochen hat und von einer Stufe, in der eine Planke fehlt. Dort muß ich dich hineinlegen.«
Nun gab Mandra mir eine Antwort, die ich nicht begriff. »Tu es nicht«, flüsterte er. »Verdammt, tu es nicht, John.«
»Es ist deine Chance!« schrie ich. »Deine einzige!« Mein Blick flammte ihm förmlich entgegen.
»Damit gerätst du an den Rand der Vernichtung. Dann sind wir beide verloren, du und ich. So bin ich weiterhin in der Planke…«
»Was auch kein Leben ist!« fuhr ich ihm hart in die Parade.
»Mandra, du kannst mich von meinem Entschluß nicht abbringen. Was soll schon passieren, wenn ich mit der Planke die Treppe ausfülle.«
»Du wirst ihre Kräfte wecken, dann nämlich hat sich der Kreislauf geschlossen.«
»Und was noch?«
» Es wird kommen!«
Da war schon wieder dieser verdammte Begriff, vor dem sich Mandra Korab so sehr fürchtete. Auch ich hatte Angst vor Kataya, aber Suko, Shao und ich hatten diese Kraft gemeinsam überwinden und vorerst einmal besiegen können.
Das war bei Mandra wohl nicht der Fall gewesen. Seine Gefangennahme war primär auf das Fratzengesicht zurückzuführen. Im Hintergrund allerdings hatte die Kraft gelauert, die das Fratzengesicht zu seinen Untaten so antrieb.
»Es tut mir leid, Mandra, aber ich traue Garudas Worten mehr als deinen, deshalb kann ich nicht von meinem ursprünglichen Plan abgehen und muß es wagen.«
»Bitte…«
»Nein!« Entschlossen nahm ich die Planke zwischen beide Hände, steckte auch den Dolch ein und erhob mich. »Wir werden den Weg gemeinsam gehen müssen, Mandra. Entweder schaffen wir es, oder wir gehen beide unter. Die Macht des anderen über dich muß endlich gebrochen werden. Zu lange Zeit ist schon vergangen.«
Ich erntete keinen Widerspruch mehr und schritt die Stufen der Treppe hinab.
Nun mußte ich die Stelle finden, die genau den Maßen der Planke entsprach. Beim ersten Durchgang hatte ich sie nicht entdeckt. Die Treppe war sehr
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