0357 - Die Treppe der Qualen
eingegangen.
Wohl fühlte ich mich nicht. Meine Hände öffneten und schlossen sich. Ich befand mich dicht vor dem Ziel, das wußte ich, dennoch trennte mich von einem Erfolg eine hohe Mauer, die ich erst noch überwinden mußte, wobei ich hoffte, daß mir dies auch gelang.
»Mandra, wenn du mich hören kannst, bewege wenigstens den Kopf.«
Ich wartete auf das Nicken.
Die Spannung verdichtete sich.
Eine Sekunde verging, die nächste. In meinem Nacken hatten sich kleine Schweißperlen gesammelt. Sie folgten den Gesetzen der Physik und rannen an meinem Rücken kalt nach unten.
Ich spürte die ungeheure Anstrengung, die mich umklammert hielt. Was hier wie ein Spiel wirkte, war so ernst wie selten etwas. Es ging um das Leben und die Existenz eines Menschen, und es mußte mir einfach gelingen, Mandra aus dem Bann zu befreien.
»Mandra, bitte!«
Drängend hatte meine Stimme geklungen. Ich war mir auch sicher, nicht ins Leere zu reden, denn Mandra hatte durch seine erste Reaktion bewiesen, daß er durchaus in der Lage war, mich zu verstehen und auch zu begreifen.
Jetzt sollte er dies zum zweitenmal beweisen.
Und er tat es.
»John…«
Ein Wort nur. Mein Vorname, aber ich fühlte mich glücklich, als ich dieses Wort vernahm. Es war aus seinem Mund gedrungen.
Dennochwurde ich das Gefühl nicht los, daß Mandra in einer Welt gesprochen hatte, die so unendlich weit von der normalen entfernt lag.
Meine Blicke brannten sich an der alten Schiffsplanke fest.
»Mandra!« hauchte ich. »Mandra, verdammt, es wird alles in Ordnung kommen. Ich hole dich aus dieser Planke. Du… Du bist nicht tot, mein Freund. Du lebst …«
»Ich weiß…«
Zweimal schluckte ich, bevor ich den nächsten Satz sagen konnte.
»Da du lebst, Mandra und mich gehört hast, wird es dir auch möglich sein, mir sagen zu können, ob es einen Weg zu dir gibt, damit ich dich befreien kann.«
Es folgten spannende Sekunden. Noch bewegte sich der Mund in dem Gesicht nicht, obwohl ich ihn fast mit hypnotisierenden Blicken anstarrte.
»Mandra…«
Jetzt drängte ich. Es war ganz natürlich. Lange genug hatte es gedauert. Monatelang lag Mandra schon in dieser verdammten Planke gefangen. Zu mir war jeglicher Kontakt abgebrochen worden, nun bekam ich die große Chance, und wollte sie auch nutzen.
Meine Umgebung interessierte mich nicht mehr. Ich starrte nur mehr auf das Gesicht.
»John…«
Da war es wieder. Dieser Hauch von Antwort. Nur mein Name, aber keine Erklärung.
Mein Mund bekam einen kantigen Zug. Ich strengte mich an und versuchte auch, mit meinen Gedanken nach Mandra Korab zu tasten, um ihn zu einer Antwort zu bewegen.
»Ich sehe dich, John, aber es ist so furchtbar. So grausam, so schrecklich. Ich habe keine Chance mehr, ich weiß nicht, was ich machen soll. Du kannst es nicht schaffen, John. Ich habe viel erlebt, ich habe alles erlebt, ich bekam mit…«
Er sollte nicht abschweifen, aus diesem Grunde unterbrach ich ihn auch. »Bitte, Mandra, du mußt positiver denken. Es gibt eine Chance für uns. Wir sind auf der Insel…«
»Ich weiß…«
Während seiner Worte hatte sich auch das Gesicht verändert. Es zeigte einen gequälten Ausdruck, der sich nicht allein in den Augen manifestiert hatte, auch in seinem Gesicht und um Mund und Wangenknochen herum. Das Gesicht zeigte Depression, es zeigte Angst, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
Aus diesem »Tal« mußte ich Mandra zunächst einmal befreien, um anschließend an die neuen Aufgaben heranzugehen.
Wieder redete ich ihn an. »Vergiß alles, mein Freund. Wir befinden uns hier auf der Insel. Sie ist ein Stück des alten Atlantis. Hier konzentrieren sich mehrere Magien. Auch die des Fratzengesichts, das für deinen Zustand die Schuld trägt. Und das weißt du. Mandra, hier haben wir eine Chance, auch die letzten Folgen des Fratzengesichts zu vernichten und dich wieder in die normale Welt zurückkehren zu lassen. Denke immer daran und stell dich auf meine Seite!«
»Ich weiß es, John!« flüsterte mein indischer Freund. »Ich weiß alles so gut. Vielleicht zu gut. Ich kenne das Fratzengesicht sehr genau, denn ich habe seine Grausamkeit am eigenen Leibe erlebt. Aber das ist nicht alles, John. Anderes lauert hier. Etwas, das viel schlimmer ist als das Fratzengesicht, das hinter ihm steht und mich auf so schreckliche Art und Weise festhält.«
Mandra Korab sprach den Namen nicht aus. Ich aber wußte, was er meinte. Es war das Phänomen, das uns bereits in Hongkong begegnet war und
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