036 - Der Wolfsmensch im Blutrausch
Larry mit dem Wasser, dem Himmel und seinen Gedanken
allein.
Die Nachricht, die Kvaale ihm übermittelt hatte, paßte irgendwie
in das Bild, das er sich gemacht hatte. Konnte es nicht möglich sein, daß Morna
von dieser Seite des Sees her überfallen und weggeschleppt worden war? Larry
sah zwar noch keinen Sinn in dieser eventuellen Reaktion des mutmaßlichen
Täters, doch er mußte auch der kleinsten Spur nachgehen.
Lund kannte die alte Täle und deren Sohn. »Sie hat nur einen
Sprößling, das ist uns bekannt. Leute reden manchmal viel. Die Täle war nie
besonders beliebt. Das hängt schon damit zusammen, daß sie sich als junges
Mädchen angeblich mit dem damaligen Gutsbesitzer eingelassen haben soll. Das
Kind, das sie zuerst gebar, wurde vor beinahe dreißig Jahren ordnungsgemäß
begraben. Der Totenschein des Arztes war vorhanden. Es gibt nicht den
geringsten Anlaß, hier irgendwelche Schritte zu unternehmen.« Dies waren Lunds
Worte gewesen. Larry zweifelte nicht daran, daß Lund nach bestem Wissen und
Gewissen gesprochen hatte. Doch Kvaales letzte Recherchen waren zumindest eine
Überprüfung wert.
Die frische Luft auf dem See war kühl, aber angenehm; sie streifte
seine heiße Stirn. X-RAY-3 fühlte sich noch keineswegs wieder fit.
Es war bei weitem angenehmer gewesen, zu liegen und sich zu
entspannen. Das Sitzen bekam ihm nicht. Doch die Zeit blieb nicht stehen. Er
konnte sich jetzt keine Ruhe gönnen. Wenn die Dinge einigermaßen
zufriedenstellend verliefen, dann zogen die hier eingesetzten Beamten und
PSA-Agenten vielleicht heute Nacht den entscheidenden Schlußstrich.
Aber nach Möglichkeit sollte diese Nacht für den Wolfsmenschen
erst gar nicht kommen. Wenn schon jetzt eine Chance bestand, ihn vor der
Verwandlung unschädlich zu machen und festzunehmen, dann war ihnen allen mehr
gedient. Die Ungewißheit, daß vielleicht noch einmal ein Menschenopfer gefordert
wurde, war dann von ihnen genommen.
Tom Kvaale hatte eine genaue Beschreibung des Wohnplatzes gegeben.
Larry hatte sich sogar noch einmal auf einer Karte vergewissert, die Lund ihm
gezeigt hatte. Das Haus der einsamen Bewohnerin lag etwas weiter südlich als
das Hausboot des Skal-Wirtes.
Schon von weitem sah Larry das kleine Haus in der klaren Luft am
Ufer. Ein weißes Gebäude mit roten Schindeln. Die Sonne hob das kleine Wohnhaus
und den danebenstehenden Geräteschuppen aus der Landschaft heraus. Es stand
unterhalb des kahlen, felsigen Bodens, auf dem nur vereinzelt ein Grasbüschel
zwischen den Erdspalten zu sehen war, pflanzliches Leben, das mit einem Minimum
an Lebensraum auskam.
Der See hatte hier eine kleine Bucht, in der zahlreiche
Felseninseln lagen, die sich glatt und nackt aus dem Wasser schoben und
aussahen wie die Rücken schlafender Tiere.
Still und blau stand das Wasser zwischen ihnen.
Larry genoß minutenlang dieses friedliche Bild. Eine einfache und
bezaubernde Landschaft, unverwechselbar, ursprünglich, vom Menschen kaum
verändert.
X-RAY-3 verringerte die Geschwindigkeit des Lotus, schaltete den
Motor ab und trieb langsam zwischen zwei Felseninseln dahin, direkt auf das
Ufer zu.
Er rollte über den steinernen, harten Untergrund und legte dann
die Handbremse an, so daß der Wagen nicht wieder ins Wasser zurückrollte. Er
ließ den Lotus mit dem Heck im See stehen, während die flache Kühlerhaube auf
dem Festland stand.
Bis zu dem weißen Holzhaus, dessen Rückseite er sich genähert
hatte, waren es nur wenige Schritte. Wenn man es plastisch ausdrücken wollte,
dann waren die Bewohner dieses abgelegenen Hauses in der Lage, von ihren Betten
direkt in den See zu springen.
Als er um das Haus herumging, sah er, daß die Ruhe nur
vorgetäuscht war.
Vor dem Eingang hatten sich mehrere Bewohner zusammengerottet. Sie
standen in Gruppen. Auf den ersten Blick erkannte Larry etwa zwanzig Leute.
Ausschließlich Männer.
Die Tür des Hauses, die sich unter einem geschindelten Vorsprung
befand, war geöffnet. Auf der Schwelle stand ein junger Mann, in der Hand ein
geladenes Gewehr.
»... ich sage euch noch mal: Geht, laßt sie in Ruhe! Was ihr hier
sucht, gibt es nicht. Es existiert nur in eurer Phantasie!« Die Stimme des
Sprechers klang gereizt.
X-RAY-3 mischte sich unter die Umstehenden, die dem an der Tür
stehenden Mann Schimpf- und Schmähworte zuriefen und ihm prophezeiten, daß sie
ihm noch heute die Bude anzünden würden.
»... ehe es wieder passiert«, rief einer lautstark, so daß es von
den aufsteigenden
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