036 - Der Wolfsmensch im Blutrausch
eine Dummheit zu
machen! Ich habe Kommissar Lund zu berichten.« Dieser Name war hier nicht
unbekannt. Lund bearbeitete die Mordfälle; davon hatten die Leute in der
Zeitung gelesen.
Täle wandte sich um und rückte die angelehnte Haustür vollends
auf. »Bitte, treten Sie näher.«
X-RAY-3 überschritt die Schwelle. Sofort war Täle hinter ihm. Er
verschloß die Tür von innen.
Ein schmaler Korridor. Die Türen zu einem Wohnraum und der
unmittelbar anschließenden Küche waren geöffnet. Larry sah hinter einem
einfachen Tisch eine alte Frau sitzen.
Anita Täle. Sie war jetzt achtundfünfzig Jahre alt, sah aber
mindestens zehn Jahre älter aus. Man sah dieser Frau auf den ersten Blick an,
daß sie ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet hatte. Ihr Gesicht war von
zahllosen Runzeln und Falten übersät. Die Hände waren wie mit zerknittertem
Pergament überspannt. Dick und spröde hoben sich die Adern auf dem Handrücken
ab.
Ängstlich blickte die Alte auf den Fremden.
»Du hast doch nicht...«, fragte sie mit zitternder Stimme ihren
Sohn und schaute über Brents Schulter hinweg in den dämmrigen Korridor. Nur von
einer Seite fiel Licht in das Haus - durch die kleinen Fenster von der Tür her.
Die hinteren Fenster waren alle durch Läden gesichert. Offenbar hatte Täle
verhindern wollen, daß einige Leute von der aufgebrachten Menge auf die Idee
kamen, durch die Fenster von der Rückseite her in das Haus einzudringen.
»Nein, Mutter.« Björn Täle schüttelte den Kopf. »Aber vielleicht
ist es besser, nicht mehr länger zu schweigen. Zuviel ist in den letzten beiden
Tagen geschehen. Wir sind ins Gerede gekommen, und ...«
»Unsinn!« Die Stimme der alten Frau klang sofort angriffslustig.
»Gerede! Ein ganzes Leben lang wurde über mich geredet!«
»Aber diesmal geht es vielleicht um mehr«, schaltete sich Larry
Brent ein. »Sie wissen, was die Leute hier reden. Und es muß doch eine
Veranlassung dazu geben, selbst wenn es auf ein Mißverständnis zurückzuführen
ist. Es liegt in ihrem eigenen Interesse, wenn Sie endlich Klarheit schaffen.
Nehmen Sie diesen Leuten den Wind aus den Segeln! Ich bin überzeugt davon, daß
Ihr eigenes Verhalten viel zu dem beigetragen hat, was jetzt draußen geschieht.
Es war die Rede von einem Boot, Mr. Täle. Man hat Sie in der letzten Nacht
gesehen. Wie war das im Einzelnen?«
Larry Brent stand im Korridor, auf der Höhe der Küchentür, dem
jungen Mann gegenüber.
»Es war nicht in der letzten Nacht. Es war gestern Abend. Meine
Mutter hatte mir durch einen Bekannten in der Stadt Bescheid geben lassen, daß
ich kommen solle und daß sie sich davor fürchtete, die Nacht allein zu
verbringen. Die Leute würden sich so merkwürdig verhalten. Alles, was sie
längst vergessen geglaubt hatte, wurde wieder aufgewühlt.«
»Wann kamen Sie gestern Abend hier an?« Larry Brent merkte, daß es
besser war, präzise Fragen zu stellen.
»Um halb neun etwa. Ich hatte noch die Theaterbesucher gefahren.
Ein Freund vertrat mich später.«
»Wie ist der Name dieses Mannes?«
»Dirk Dalquist. Er wohnt in Falun.« Täle nannte sogar die Straße.
Aber so genau wollte X-RAY-3 es gar nicht wissen.
»Und weiter?«
»... ich kam umgehend hierher. Mit dem Motorboot. Das muß jemand
gesehen oder gehört haben. Kurz danach soll es zu dem Mord gekommen sein, habe
ich heute früh vernommen. Und irgendein Schlauberger muß meine Bootsfahrt über
den See und den Mord an der kleinen Arse in Verbindung gebracht haben.«
»Wieso ausgerechnet mit Ihnen?« warf Larry sofort ein.
»Nun, das ist vielleicht falsch ausgedrückt. Weniger mit mir als
mit dem, was es mal mit dem Gerede auf sich hatte. Die Vergangenheit meiner
Mutter spielt dabei eine große Rolle, und vielleicht...«
»Du schweigst! Hüte dich davor, auch nur ein Wort zu sagen!« Die
Alte erhob sich. Erstaunlich behende kam sie um den Tisch herum. Ihre Augen
blitzten Larry Brent an. »Es geht diesen Mann nichts an, Björn!«
Der junge Täle zuckte die Achseln. »Mutter«, sagte er ruhig,
»dieser Mann arbeitet mit Kommissar Lund zusammen. Es geht darum,
herauszufinden, wer die schrecklichen Morde wirklich auf dem Gewissen hat!«
»Natürlich geht es darum! Wozu haben wir schließlich eine
Polizei?« Die Alte konnte erstaunlich aggressiv sein. »Wir haben nichts damit
zu tun!«
»Vielleicht sollten wir doch sprechen, Mutter.« Täles Stimme klang
besorgt. »Draußen warten sie. Wir waren hier nie besonders beliebt. Das zeigt
sich jetzt
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