036 - Der Wolfsmensch im Blutrausch
unterhalten. Da es jedoch schlecht möglich ist, diese Unterredung hier
vor versammelter Mannschaft durchzuführen, schlage ich Ihnen vor, daß wir in
die gute Stube gehen. Ich verlange dabei nicht, daß Sie mir das Haus zeigen.
Davon ist keine Rede. Dazu habe ich auch nicht das Recht.«
»Wir werden hineinkommen«, sagte einer der Männer. »Und dann
werden wir die Bude auf den Kopf stellen.«
Larry schüttelte den Kopf und sah den Sprecher mit eisigem Blick
an. »Nein, das wird niemand tun. Es wäre gegen das Gesetz!«
»Was schert mich das Gesetz?« rief der Mann und sah sich
triumphierend um. Doch so radikal wie er schienen nicht alle zu denken. Die
meisten hier waren nur Mitläufer, schreckten aber vor dem letzten Schritt
zurück. Doch X-RAY-3 hatte schon mehr als einmal erlebt, wie es war, wenn
Massen aufgepeitscht wurden. »Wir haben einen begründeten Verdacht, daß mit den
Täles etwas nicht stimmt. Und wir sehen nach, ob ...«
Larry ließ den Burschen nicht zu Ende reden. »Wenn einer
nachsieht, dann bin ich das! Und zwar mit Erlaubnis von Herrn Täle, ist das
klar?«
Mit diesen Worten löste er sich vollends von dem Halbkreis der
Umstehenden. Täle fest ins Auge blickend, ging er auf diesen zu.
Schweiß perlte auf der Stirn des jungen Busfahrers. »Die Warnung
gilt für alle, Brent!« preßte er zwischen den Zähnen hervor. »Auch für Sie!«
Er hob die Waffe demonstrativ in die Höhe. Larry ließ sich nicht
einschüchtern.
»Sie werden nicht schießen, Täle«, sagte der Amerikaner bestimmt.
»Damit schaufeln Sie sich Ihr eigenes Grab, denn Sie beweisen diesen Kerlen
nur, daß sie recht haben.«
»Stehenbleiben!«
Brent schien die Warnung nicht zu hören. »Nimm den großen
Ballermann runter, mein Junge!«
Noch vier Schritte bis zum Haus. Larry Brent wußte genau, was er
riskierte. Er glaubte, Täle richtig eingeschätzt zu haben. Dieser Mann war kein
kaltblütiger Killer. Aber ein unbekannter Faktor blieb: Täles gekränkter Stolz!
Er hatte gesagt, er wolle schießen, und nur um diese Warnung wahrzumachen, um
vor den anderen zu bestehen, die herumstanden, glotzten und auf die Sensation
zu warten schienen, konnte es passieren.
Larry Brent wußte das. Er hatte jede Möglichkeit einkalkuliert.
Was würde siegen? Täles aufgewühlte Emotionen - oder seine Vernunft?
X-RAY-3 unterließ jetzt alles, was den jungen Mann nur noch weiter
erregte. Er wollte ihn nicht im Geringsten provozieren, er wollte ihm helfen.
Das tat er am besten damit, indem er das Gewehr an sich nahm.
»Ich habe Sie gewarnt!« Björn Täle krümmte den Zeigefinger um den
Abzugshahn.
Larry Brents Pulsschlag beschleunigte sich, und die Innenflächen
seiner Hände wurden feucht. Jeden Augenblick erwartete er, die Mündungsflamme
zu sehen und den Schlag gegen die Brust zu spüren.
Nichts!
Björn Täle zog den Hahn nicht durch. Langsam, wie eine
Zentnerlast, senkte er das Gewehr. Da war Larry neben ihm. Es war beinahe
selbstverständlich, daß er die Waffe an sich nahm. Täles Gesicht war weiß wie
eine Kalkwand. Kalter Schweiß stand auf seiner Haut. Er senkte den Kopf.
Larry nickte. »Es war beinahe so spannend wie in >Zwölf Uhr
mittags< Täle! Sie haben mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich
dachte schon, Sie würden abdrücken, obwohl ich vorhin beinahe sicher war, daß
Sie nicht Ernst machen würden. Ich habe mich also doch nicht in Ihnen
getäuscht.«
Björn Täle stand da wie ein begossener Pudel und wußte in den
ersten Sekunden nicht, was er tun sollte. Alles Leben schien aus seinem Körper
gewichen.
»Gehen wir rein, Täle. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann tun
Sie es, solange noch Zeit dazu ist!«
Ein tiefer Atemzug hob und senkte die Brust des dunkelblonden
Mannes. Björn Täle schloß sekundenlang die Augen.
»Sie glauben alle, daß es etwas mit dem Wolfsmenschen und den
Morden zu tun hat; dabei ist es gar nicht wahr.« Täles Stimme klang bedrückt.
Er sah Brent aus dunklen Augen an. Die behaarte Rechte des jungen Mannes
wischte zitternd über das schweißüberströmte Gesicht. Täle war etwas größer als
der Agent und von starkem Wuchs. Seine Bewegungen erfolgten mit der
Geschmeidigkeit eines Raubtiers. Man sah es Täle an, daß er oft und regelmäßig Sport
trieb, um sich in Form zu halten.
Hinter Larry wurden Stimmen laut. Einige Männer rückten heran.
X-RAY-3 rief ihnen zu: »Bleibt, wo ihr seid! Wenn ich zurück bin,
werdet ihr mehr von mir hören. Laßt euch nicht dazu hinreißen,
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