0365 - Die Grotte der Saurier
ich sage immer, jedes Gramm, das hier sitzt, habe ich mir redlich verdient.«
Normalerweise hätte es mir Spaß bereitet, dem Mann zuzuhören, in diesem Fall wurde ich ein wenig nervös. Es konnte durchaus sein, daß gerade in diesen Augenblicken irgend etwas passierte, das mich unmittelbar betraf und ich nicht anwesend war.
Die Fahrt hatte ich gut hinter mich gebracht. Von London bis Amsterdam war es nur ein Katzensprung. Den Leihwagen hatte ich telefonisch bestellt, und der Opel Kadett stand auch aufgetankt für mich bereit.
An den Rechtsverkehr hatte ich mich wieder schnell gewöhnt, denn schon öfter hatte ich auf dem Festland zu tun gehabt. Nur das Wetter hatte mir nicht gefallen, und ich sollte mit meiner Prognose recht behalten. Am Nachmittag begann es zu schneien. Erst nur sehr langsam, dann aber richtig, so daß ich schließlich froh war, die Stadt Maastricht noch vor dem großen Schnee erreicht zu haben.
Von dem Ort selbst hatte ich nicht viel sehen können. Er mußte anheimelnd sein, auch wenn während des Schneefalls die Umgebung grau ausgesehen hatte, aber von den schönen Fassaden der Häuser innerhalb der Altstadt hatte ich dennoch einen ersten, positiven Eindruck bekommen.
Natürlich gab es in einer so großen Stadt wie Maastricht nicht nur eine Polizeistation. Man hatte mich bewußt an den Inspektor van Liechem verwiesen, weil er sich am besten auskannte, wie es hieß.
Wir hatten uns in sein Büro verdrückt, und der Lärm in den anderen Räumen war hinter uns zurückgeblieben.
Van Liechem entzündete seine Pfeife, paffte genüßlich ein paar Wolken und blies sie in meine Richtung. Der Tabak war nicht so mein Fall. Er stank wie ein Laternenpfahl ganz unten, zudem erinnerte er mich an alte Socken, die dringend mal gewaschen werden mußten.
»Ich freue mich ja, daß Sie hier sind«, sagte van Liechem, und sein Gesicht zerfloß hinter den Rauchwolken, »aber ich kann mir nicht vorstellen, was ein Scotland-Yard-Mann in unserer Stadt alles will. Ehrlich nicht.«
»Es ist auch mehr ein Verdacht«, gab ich zu.
»Und gegen wen richtet er sich?«
»Gegen keine Person, sondern gegen die Grotten, für die Maastricht ja berühmt ist.«
Aus der Qualmwolke hörte ich das Lachen. »Das gibt es doch nicht«, sagte er. »Sie wollen in die Grotten gehen?« Er beugte sich vor und wedelte mit der Hand den Qualm durcheinander. »Was treibt Sie denn ausgerechnet dorthin? Sicherlich keine Besichtigung – oder?«
»Nicht nur.«
»Und wen suchen Sie da? Einen flüchtigen Verbrecher?« Er lächelte wieder so behäbig und freundlich. Ich glaubte daran, daß es nur Tünche war. Van Liechem wußte oder ahnte zumindest schon, wie der Hase lief, doch er wollte mich locken.
Und was hätte ich ihm antworten sollen?
Von Shaos Traum zu erzählen, einem vagen Verdacht oder von der Suche nach meinen beiden Freunden und dem Würfel des Unheils. Das alles hätte er sicherlich lächelnd zur Kenntnis genommen, es mir aber nicht geglaubt. »Na ja, Kollege, sind Sie stumm geworden?«
Ich hob die Schultern. »Wissen Sie, Inspektor, ich bin allein gekommen, also nicht in einer so offiziellen Mission und mit Beglaubigungsschreiben, was weiß ich nicht alles. Eigentlich habe ich da nur einen gewissen Verdacht, daß jemand bei den Grotten eintrifft, der bisher verschollen gewesen war.«
Van Liechem paffte wieder einige Wolken. »Kenne ich den Mann?«
»Er ist kein Holländer.«
»Ich kenne auch Ausländer.«
»So habe ich das nicht gemeint. Ich will es Ihnen anders sagen. Er ist noch nicht in Ihrem Land aktiv geworden, und er ist auch ein wenig seltsam.«
»Wie Sie!« Van Liechem sagte es mir glatt ins Gesicht und zielte dabei mit dem Mundstück seiner Pfeife auf mich. »Sie, Mr. Sinclair, sind auch kein normaler Polizist. Als ich hörte, daß Sie kommen würden, mußte ich arbeiten. Ich griff also zum Telefon und redete ein wenig mit einem Bekannten in Amsterdam. Der sitzt in einer Art von Zentrale, kennt sich unwahrscheinlich aus und spielt gern mit Computern. In unseren Computern war Ihr Name gespeichert. Von einem Grachten-Teufel war da die Rede…« Van Liechem unterbrach sich selbst, indem er hustete. Dann meinte er: »Nennt man Sie nicht auch Geisterjäger?«
»Kompliment«, erwiderte ich nickend. »Sie haben es geschafft, mich zu demaskieren.«
»Das meine ich.« Jetzt lachte er. Es klang offen und ehrlich.
»Keine Feindschaft, Kollege, ich an Ihrer Stelle hätte ebenso gehandelt. Können Sie mit mir
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