0365 - Im Tempel des Todes
wohl. Außerdem dürfte sie kaum zu verfehlen sein. Da steht nämlich noch ein Landrover herrenlos herum, den sie bei ihrer Flucht nicht mitgenommen haben.«
Zamorra nickte. »Stimmt.«
Er hob die Hand. »Fahr mal langsamer«, sagte er. »Hier ist etwas faul.«
Nicole und Tendyke spannten sich unwillkürlich an. Nicole stoppte den Wagen vorsichtshalber ganz. Der Motor blubberte im Leerlauf. Zamorra öffnete vorsichtig die Wagentür, stieg aus und entfernte sich einen guten Meter vom Fahrzeug. Er lauschte.
»Stille«, sagte er. »Da braut sich wieder etwas über uns zusammen.«
»Was ist los?« rief Lucy vom zweiten Wagen.
»Hier scheint jemand überall neue Fallen installiert zu haben«, sagte Zamorra. »Es liegt was in der Luft. Wir sollten vorsichtig sein. Macht die Fenster zu.«
»Kann deine Zauberscheibe irgend etwas feststellen?« wollte Fuller wissen.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Das nicht, aber hört ihr nicht, wie still es ist?«
»Verdammt, du hast recht«, murmelte Fuller. »Das hatten wir bei der ersten Expedition auch einige Male.«
»Vorsichtig weiter«, sagte Zamorra. »Ich gehe mit dem Amulett voraus. Wenn es eine Falle gibt, werde ich sie spüren und entschärfen können. Wenn nicht, helft ihr mir.«
»Laß es dir nicht so ergehen wie Dowley, der sehenden Auges in die Falle marschierte…«
Zamorra warf die Wagentür zu. »Fenster zu«, befahl er und schritt voraus. Die Wagen folgten ihm langsam. Er berührte das Amulett und lauschte in sich hinein, während er aufmerksam die Umgebung beobachtete. Aber da war nichts. Merlins Stern warnte nicht.
Plötzlich gab der Boden unter Zamorra nach.
Er stürzte in die Tiefe.
Unter ihm reckten sich ihm zugespitzte Pfähle entgegen…
***
Es war ein anderer Beobachter. Es gab genug von ihnen, die der Tempel aussenden konnte. Dieser ringelte seinen großen Schlangenkörper um einen hervorspringenden Ast. Niemand registrierte seine Anwesenheit, während er gut zwei Dutzend Meter über dem Pfad in der Luft schwebte und sich nichts entgehen ließ von dem, was unten geschah.
Die Sterblichen waren aufmerksam geworden. Sie mußten die Falle an irgend einem Anzeichen erkannt haben, das dem Beobachter entgangen war.
Aber das spielte keine Rolle. So würde es nur einen allein treffen statt einen ganzen Wagen.
Der Beobachter hatte sich vorgestellt, wie der Wagen in die Falle stürzte. Wie die massiven, schenkelstarken Pfähle mit den bleistiftspitzen Stahlkappen den Wagenboden und den Tank durchschlugen, wie Funken sprühten, eine brüllende Explosion den Wagen zerfetzte.
Und da waren sie, in der Nähe, die die entweichende Lebensenergie in sich aufsaugen würden, so wie sie bei jeder Falle in der Nähe waren. Lautlos wanderten sie im Dschungel mit -genauer gesagt, sie wurden transportiert, und sie waren mit ihren Trägern stets nahe bei der Expedition, um im richtigen Moment zur Stelle zu sein.
Aber die Sterblichen waren mißtrauisch. Sie schickten einen der ihren voran. So würde es nur ihn erwischen. Das war bedauerlich, aber besser als nichts.
Mit einem gellenden Schrei stürzte er in die Grube.
***
Instinktiv riß Zamorra die Arme hoch und suchte nach einem Halt. Er bekam einen dünnen Ast zu fassen, den jemand als Balken über die Fallgrube gelegt hatte. Es gab einen heftigen Ruck, dann wurde Zamorras Fall abrupt gestoppt. Seine linke Hand schloß sich um einen vorstehenden Holzsplitter, und mit einem erneuten Schrei ließ er los. Er pendelte jetzt nur noch an einer Hand hängend. Gut einen Meter unter ihm waren die Pfähle. Ihre Spitzen schimmerten schwach in der Dunkelheit.
Es knackte. Der Ast bewegte sich. Er begann unter Zamorras Gewicht nachzugeben. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf: wenn der nachfolgende Wagen nicht mehr bremsen konnte, wenn Nicole nur einen Augenblick unaufmerksam gewesen war, würde sich im nächsten Sekundenbruchteil der Landrover über Zamorra senken und ihn mit sich in die Tiefe reißen…
Aber daran verschwendete er nur einen kurzen Gedanken.
Er griff mit der anderen Hand wieder nach, tastete nach einem besseren Halt. Aber er fand nichts. Ein weiterer Ast, den er erfaßte, zerbrach sofort und stürzte mitsamt dem Blattwerk und dem Rest der auf ihm ruhenden Tarnung nach unten.
Zamorra murmelte eine Verwünschung. Fallen lassen konnte er sich nicht. Er wußte nicht, wie dicht die Pfähle standen, von denen er nur einen Teil an den Spitzen schimmern sah. Aber er wußte auch, daß er sich nicht mehr lange an
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