0366 - Zigeunerliebe - Zigeunertod
Herzogs soll sich dort herumgetrieben haben. Badehäuser nennt man die.«
»Nur mit Männern?«
»Ja.«
Ein Schrei schreckte die beiden auf. Synchron drehten sie die Köpfe und schauten auf die dicke Bohlentür der Folterkammer. Weiter hinten im Gang brannten zwei Fackeln. Sie gaben kaum Licht, das Gemäuer unter der Erde lag in einer stetigen Finsternis.
»Jetzt hat er sie breit!« flüsterte Tim.
»Irrtum, das war ein anderer Schrei.«
Tim schaute seinen Soldatenkollegen groß an. »Liegt da noch einer in der Kammer?«
»Quatsch, aber den Schrei hat nicht die Frau ausgestoßen, sondern der Mann. Diablo!«
Tims Augen wurden noch größer. »Dann foltert sie ihn also«, stellte er flüsternd fest.
»Auch nicht richtig. Es war ein Schrei der Wut. Begreifst du das nicht? Wahrscheinlich ist unser Freund da an die Falsche geraten. Die macht nicht einmal den Mund auf. Die sagt nichts, selbst wenn er mit dem Eisen kommt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Tim. Sein Gesicht nahm einen dümmlichen Ausdruck an. »Nein, das ist mir zu hoch.«
»Dafür bin ich gespannt.« Tims Kollege rieb seine vom Speck fettigen Handflächen gegeneinander. Danach stand er auf und gab dem Hocker einen Tritt, daß er umfiel.
Der Mann hatte Erfahrung. Mit Schreien endete die Prozedur hinter der Tür zumeist, aber bisher hatten immer die Opfer geschrien, nicht der Folterknecht.
Auf den Holzbohlen waren die Schritte des Folterknechts vor der Tür zu hören. Auch Tim vernahm sie. Er sprang auf. Seine fettigen Hände wischte er an seiner Hose ab. Gespannt schaute er auf die Tür. Wenn sie aufgezogen wurde, gab es Arbeit für die beiden Helfer. Sie bekamen ihren Sold dafür, daß sie die Bedauernswerten zum Fluß trugen oder zu einem Scheiterhaufen, wo sie verbrannt wurden.
Meist versenkte man sie.
Die Tür wurde geöffnet. In den rostigen Eisenangeln quietschte sie und schabte auch über den Boden, so daß zusätzlich knirschende Geräusche entstanden.
Diablo blieb auf der Schwelle stehen. Die Söldner waren es gewohnt, daß er zur Seite trat, damit sie mit ihrer »Arbeit« beginnen konnten. Diesmal hielt er seinen Platz.
Sie schauten einander an. Diablo zog seine Handschuhe aus. Als die weißen Hände freilagen, bewegte er die Finger. Zudem hob er den Kopf noch ein wenig, geriet in den Widerschein einer Fackel, so daß die Schweißperlen auf seinem Gesicht wie rötliche Blutstropfen glänzten.
»Ihr könnt sie holen!« flüsterte er.
Die beiden nickten, aber Tim hatte noch eine Frage. »Hat sie so geschrien?«
Der Folterknecht verengte die Augen. Die blassen Pupillen verschwanden fast völlig. »Nein!« erwiderte er, und die Antwort glich schon mehr einem Keuchen. »Das war ich.«
»Darf man fragen…«
»Ja, man darf!« schrie Diablo. »Du darfst fragen. Ich habe vor Wut geschrien. Sie hat es überstanden. Sie ist ohnmächtig geworden, ohne ein Wort gesagt zu haben.«
»Und jetzt?«
»Ihr könnte sie aus der Folterkammer holen und wegschaffen. Verstanden?«
Tim nickte heftig. Der Säbelgriff an seiner Seite stieß gegen die Gürtelschnalle und klirrte. »Wir nehmen sie, nähen sie in den Sack ein, beschweren ihn mit Steinen und werfen sie in den Fluß!«
»Nein!« Scharf wie der Knall einer Peitsche klang die Antwort.
»Das werdet ihr nicht!«
Die beiden Söldner zeigten sich irritiert. »Wieso nicht? Wir haben es immer…«
»Widersprich mir nicht, du dreckiger Hundesohn.« Das Gesicht des Folterknechts zeigte plötzlich Ekel. »Ich habe mir etwas anderes ausgedacht. Ihr werdet sie nehmen und an den Pfahl binden. Kettet sie an!« schrie Diablo. »Und dann überlaßt sie mir!«
Die Helfer waren abgebrüht. Sie hoben nur die Schultern und warteten, bis der in schwarzes Leder gekleidete Folterknecht zur Seite trat, damit sie die Kammer betreten konnten. Dabei sah Diablo zu, daß er sie nicht berührte. Menschen, die vor Schmutz starrten, widerten ihn an, während ihm viel schlimmere Dinge nichts ausmachten.
Die beiden Folterknechte traten über die Schwelle. Diablo zog sich derweil in den Gang zurück.
Seine Stirn hatte sich umwölkt. Hinter ihr tobten sich die Gedanken aus. Er konnte einfach nicht begreifen, daß dieses schwarzhaarige Zigeunerluder nichts gesagt hatte. Stumm wie ein Fisch war sie gewesen, auch dann, als sie das Eisen spürte.
Er hatte geschrien.
Vor Wut, vor Enttäuschung. Noch jetzt war er aufgewühlt. Seine Hände öffneten und schlossen sich, während er den Geräuschen lauschte, die aus der
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